Kommentar: Eingeköpft
■ Senat beschließt Sanierung des Olympiastadions
Beim Mammon Fußball kommt selbst der müde Senat noch einmal aus den Startblöcken. Um nicht den Termin für die Bewerbung im Frühjahr 1999 zur Fußballweltmeisterschaft 2006 zu verschlafen, hat sich das Land gerade noch rechtzeitig ein Konzept zur Sanierung des bröckelnden Olympiastadions an Land gezogen. Mag sein, daß der starre Blick auf das Event von fragwürdiger Legitimation begleitet ist. Mehr als drei oder vier Spiele samt grausamen Niederlagen der deutschen Kicker würden im Rahmen der WM in Berlin sowieso nicht stattfinden. Und auch die Einnahmen aus Tickets und Fernsehübertragungen fließen nicht in die Hauptstadtkassen. Das teilen sich die Fifa und private Gesellschaften.
Kommerzialisierung und totale Medialisierung des Sports? Sei's drum. Die Entscheidung, die alte Nazi-Arena vom Hamburger Büro Gerkan, Marg und Partner modernisieren zu lassen, wiegt das auf. Ihre Pläne halten sich an die Vorgaben des Denkmalschutzes, doch nach dem Umbau wird das Olympiastadion nicht mehr das sein, was es einmal war. Das steinerne Oval erhält eine lichte Dachkonstruktion. Am Unterring entstehen neue Tribünen. Und nicht zuletzt fliegen die harten Bänke zugunsten bequemer Sitze auf den Müll. Die lang geforderte Alternative, das marode Stadion verrotten und einen Neubau entstehen zu lassen, mutet angesichts des Entwurfs schon beinahe dümmlich an.
Für die Stadt und die Sportfans kommt zugleich noch mehr als eine sanierte Multi-Arena heraus, nämlich ein funktionstüchtiges Fußballstadion während des Umbaus. Hertha BSC wird die Zeit zwar mit „nur“ 55.000 Plätzen überstehen müssen. Doch die Sorge, der Klub müsse über Jahre aus dem Oval ausziehen, ist gebannt.
Ein letztes Eigentor schießen kann bei dem Procedere jetzt nur noch der Senat, der sich beim Thema Sanierung des Olympiastadion jahrelang angestellt hat wie derzeit Mario Basler auf dem Platz: nämlich unfähig. Bei den geforderten bautechnischen Nachbesserungen, dem Finanzierungskonzept sowie der Suche nach Betreibern wird man auf der Hut sein müssen. Sonst kreist über dem Stadion der Pleitegeier und unten kickt Schwenkow. Rolf Lautenschläger
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