Kommentar: Schimpfen, aber richtig
■ Der Senat ist verantwortlich für hohe Bäderpreise
Es ist ein leichtes, auf die Bäder- Betriebe zu schimpfen. Erneut will die Firma ihre Preise erhöhen. Sofort denkt man an bräsige Bademeister, die untätig am Beckenrand lungern. Könnten die Bäder- Betriebe nicht Personal einsparen, um die Kosten zu senken, und so die Preise stabil halten? Mit Sicherheit arbeitet das Unternehmen an vielen Stellen nicht wirtschaftlich. Doch angesichts dieser Kritik bleibt oft genug eine wesentliche Ursache der steigenden Preise außer acht. Das Land Berlin hat seit 1996 seine Zuschüsse um mehr als zehn Prozent verringert. Der SPD-CDU-Senat ist damit für die Verteuerung der Karten mindestens mitverantwortlich.
Daß die Große Koalition ihre Zuschüsse für die Bäder kürzt, fügt sich in eine größere Strategie. Mit allen Mitteln versucht die Regierung, den Landeshaushalt zu sanieren. Die Sparpolitik wirkt sich bei der BVG ähnlich aus. Auch dort senkt der Senat seinen Verlustausgleich, was den Verkehrsbetrieben kaum eine Alternative dazu läßt, die Fahrgäste zur Deckung des Defizits heranzuziehen.
Bei ihren Versuchen der Haushaltssanierung fühlt sich die Landesregierung immer weniger dafür verantwortlich, die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Die Preiserhöhungen führen dazu, daß ärmere EinwohnerInnen sich den Schwimmbadbesuch nicht mehr leisten wollen oder können. Hygiene, Gesundheit und im Falle der BVG auch Mobilität werden zunehmend zu einem Luxus, dessen steigender Preis ganze Bevölkerungsschichten vom gewohnten Leben ausschließt.
Das Land Berlin als öffentliches Gemeinwesen legt damit die Axt an die eigenen Wurzeln. Der Sinn staatlicher Organisation auf kommunaler Ebene besteht wesentlich darin, allen BürgerInnen die gleiche Möglichkeit zu geben, ihre Grundbedürfnisse zu decken. In der Verwaltungstheorie wird diese Aufgabe als „Daseinsvorsorge“ beschrieben. Indem Berlin dieses Prinzip des Sozialstaates zunehmend mit Füßen tritt, verändert sich die Funktion des Gemeinwesens grundsätzlich. Aus dem Staat für alle wird ein Staat für Wohlhabende. Diese haben allen Grund, sich mit der öffentlichen Sache zu identifizieren. Die Ausgegrenzten hingegen stehen ihr ablehnend gegenüber. Hannes Koch
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