Kommentar: Grünes Lernziel
■ Politik verkaufen, nicht die Inhalte
Wie hatte es Renate Künast noch am Wochenende so schön formuliert? „Politik muß vorbereitet werden: Auch wenn man regiert, muß man immer wieder um gesellschaftliche Mehrheiten kämpfen. Das haben wir spätestens seit den Tempo-100-Schildern auf der Avus gelernt.“ Auf den Beweis dieser Einsicht wartet man gelegentlich vergebens. Offensichtlich bewirkt weder die Avus-Erfahrung noch die derzeitige Bonner Performance, noch das Magdeburger Benzinpreisfiasko einen großen Lernerfolg. Die Agenda der öffentlichen politischen Erregung hält sich einfach nicht an den Zeitplan des grünen Wahlkampfes. Auch wenn sich das Thema Nahverkehrsabgabe nur bedingt als Wahlkampfthema anbietet – Schaden nehmen die Grünen so einmal mehr durch den unvorsichtigen Umgang mit einem umstrittenen Thema.
Eigentlich hatte man das Wahlprogramm ja in aller Ruhe diskutieren wollen. Das, was jetzt noch recht lapidar als „Nahverkehrsabgabe für alle AutofahrerInnen“ daherkommt, hätte man noch in das übersetzt, was eigentlich dahintersteckt: Die Grünen wollen die Blechlawine aus der verpesteten Stadt bannen, und als einen der Wege, dieses zu erreichen, setzen sie auf die weitere Verteuerung von Parkplätzen und eine Begünstigung der BenutzerInnen des öffentlichen Nahverkehrs. Ein ganz vernünftiger Ansatz. Insbesondere wenn man bedenkt, wie wenig die bisherige Politik der „positiven Anreize“ dazu angetan war, der Fahrzeugflut Einhalt zu gebieten.
Doch die Grünen wollen für ihre guten Ideen gewählt werden, um sie schließlich politisch auch umzusetzen. Dazu bedarf es eines problembewußten Vorgehens: erstens Problemanalyse, zweitens Lösungsvorschlag, drittens politische Vermittlung auch unpopulärer Ansätze. Mit ihrer ungenauen Formulierung und der vorschnellen Publizierung haben die Grünen diesen Weg nicht eingeschlagen. Und das fällt Ihnen jetzt durch einen dummen Zufall vor die Füße. Dabei müßten doch noch ausreichend alte Kader in dieser Partei vertreten sein, die wissen, wie man – im Gegensatz zu einigen Grünen in Bonn – Politik strategisch vermittelt, ohne die Inhalte zu verkaufen. Barbara Junge
Bericht Seite 21
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