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KommentarFragwürdig

■ Das Bundesverfassungsgericht billigt BND-Lauschereien

Es ist ein später Sieg der PR-Strategen, die geschickt die schwerwiegenden außenpolitischen Vorwürfe gegen die Bonner Regierung zu benutzen wußten. „Auschwitz in sands“ hatten die US-Medien Ende der achtziger Jahre getitelt und die Bundesregierung verdächtigt, sie dulde deutsche Firmenhilfe beim Bau einer Giftgasfabrik im libyschen Rabta. Kanzler Kohl und Außenamtschef Genscher mußten sich entsprechende Meldungen der US-Geheimdienste um die Ohren hauen lassen – über eigene Erkenntnisse über den illegalen Technologietransfer verfügten sie damals angeblich nicht.

Noch heute steht Rabta für ein Trauma bundesdeutscher Außenpolitik. Ursachen für die Pleite mußten her: Dem BND sei verwehrt, die Kommunikation deutscher Firmen mit dem Ausland zu überwachen, ihm sei nicht erlaubt, eigene Erkenntnisse an Staatsanwälte oder Polizei zu übermitteln. Das Argument machte Schule: Wer ein zweites Rabta verhindern will, muß dem BND mehr Befugnisse zugestehen.

Nur: Dieser Überlegung standen schreckliche Erfahrungen mit der Gestapo, der geheimen Staatspolizei, während des Nationalsozialismus entgegen. Die Lehren, die daraus gezogen wurden, führten zu einem strikten Trennungsgebot. Polizei und Strafverfolgung als gesellschaftlicher Sanktionsapparat sollten künftig das eine sein, Geheimdienstarbeit zur politischen Beratung der Bundesregierung davon getrennt das andere. Im Schlepptau der Rabta-Affäre wurde der Grundsatz mit der Verabschiedung des Verbrechensbekämpfungs-Gesetzes im Herbst 1994 geschleift und gestern auf höchster richterlicher Ebene gebilligt.

Das Trennungsgebot wird für einen höchst fragwürdigen Erfolg geopfert. Zwar ist es vielen Geheimdienstlern ein durchaus ernst gemeintes Anliegen, bei der Bekämpfung des internationalen Waffenhandels, der Rauschgiftkriminalität oder der weltweiten Geldwäsche mitarbeiten zu wollen. Nur, folgt man den Angaben des BND, ist es ein reichlich unnützer Versuch: Nur 0,01 Promille der täglich rund acht Millionen geführten Auslandstelefonate soll den Auswertern des Nachrichtendienstes zur Kenntnis gelangen. Brisantes dürfte darunter kaum zu finden sein. Wenn einer die Techniken des Verschleierns oder Verschlüsselns beherrscht, dann doch wohl der, der wissentlich illegal handelt. Etwa beim Bau von Giftgasfabriken. Wolfgang Gast

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