Kommentar: Preis der Freiheit
■ Warum sich vier Kurden für Taten bestrafen lassen, die sie nicht begingen
Diese Freiheit hat ihren Preis. Daß die gestern angeklagten Kurden ohne Handschellen den Gerichtssaal verlassen konnten, mußten sie sich mit der Bereitschaft erkaufen, sich zu einer Gefängnisstrafe verurteilen zu lassen. Jetzt sind sie auf freiem Fuß.
Kurzfristig gedacht eine enorme Erleichterung. Doch noch jahrelang wird diese Vorstrafe in ihren Papieren auftauchen, Probleme mit Arbeitgebern und der Ausländerbehörde sind programmiert. Und das nur, weil sie in ihrem Entsetzen über die Verschleppung Öcalans Hausfriedensbruch begingen. Den schon, mehr aber auch nicht.
Von einer „einvernehmlichen Lösung“, wie der Vorsitzende Richter sie rühmt, kann keine Rede sein. Denn die vier hatten keine Wahl. Eigentlich muß das Gericht die Untersuchungshaft so kurz wie eben nötig halten. Statt dessen hat diese Kammer mit der Androhung eines noch längeren Knastaufenthaltes Druck auf die Kurden ausgeübt.
Jeder Angeklagte hat das Recht auf ein faires Verfahren, in dem das Gericht ihm dezidiert die Schuld nachweisen muß. Das Gericht muß den Beweis erbringen, daß jemand die ihm vorgeworfene Tat begangen hat, und wenn das nicht gelingt, ist der Angeklagte freizusprechen – „in dubio pro reo“. Und ist dieser mit dem Urteil nicht einverstanden, kann er Rechtsmittel einlegen und eine erneute Verhandlung verlangen.
Normalerweise. Diese Angeklagten mußten auf all das verzichten. Weil ein Gericht „einvernehmlich“ die Strafprozeßordnung und damit Rechte der Angeklagten ausschaltete.
Elke Spanner
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