Kommentar: Sitzen bleiben!
■ Politiker gehören in die Aufsichtsräte
Nach dem Gerichtsdebakel um die Privatisierung der Flughafen-Holding Berlin-Brandenburg muss eine alte Frage neu gestellt werden: Wie eng sind die Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft?
Fakt ist: Finanzsenatorin Annette Fugmann Heesing (SPD) sitzt sowohl im Aufsichtsrat der Flughafen-Holding als auch in dem der Bankgesellschaft Berlin, die dem Konsortium um den Baukonzern Hochtief angehört. Hochtief hatte den Zuschlag für die Privatisierung der Holding und für den Bau des Großflughafens erhalten. Ein Doppelmandat und damit eine filzige Angelegenheit, die das Brandenburger Oberlandesgericht zu Recht kritisierte.
Dennoch ist es richtig, dass die Politik – wo sie kann – Aufsichtsratsmandate besetzt, haben doch Unternehmensentscheidungen weitreichende arbeitsmarkt-, struktur- und umweltpolitische Konsequenzen. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die der öffentlichen Hand gehören und sukzessive privatisiert werden. Der Aufsichtsrat, das Kontrollorgan des Unternehmens, wird dann nach den jeweiligen Gesellschaftsanteilen besetzt. Im Klartext: Wer die Anteilsmehrheit hat, bestimmt auch die Unternehmenspolitik. Ganz unterschiedlich sind also die Einflussmöglichkeiten, die die Politik noch hat.
So hält das Land Berlin beispielsweise noch die Aktienmehrheit bei den bisher teilprivatisierten Berliner Wasserbetrieben. Anders bei der Bewag: Der Stromkonzern wurde vollständig verkauft, ergo entsendet das Land Berlin auch keine Vertreter in den Aufsichtsrat und hat damit keine Möglichkeit, die unternehmerischen Entscheidungen zu beeinflussen. Mit weit reichenden Folgen: So kann weder der Abbau von mehr als 4.000 Arbeitsplätzen verhindert noch eine – theoretisch mögliche – Bevorzugung von ökologisch erzeugtem Strom durchgesetzt werden.
Dass nun die Finanzsenatorin die beleidigte Leberwurst spielt und meint, die Rechtsprechung habe nun grundlegend gewechselt, ändert an der Brisanz des Urteils nichts. Dennoch ist die Frage nicht, ob Politiker in Aufsichtsräten sitzen, sondern welche Politiker. Und welche Interessen sie verfolgen. Richard Rother
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen