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KommentarAblenkung

■ Die BVG will Videoüberwachung in U-Bahn-Wagen

Die BVG weiß, was im dunklen U-Bahn-Tunnel des Fahrgastes liebster Wunsch ist. Er möchte rausgucken. Jedenfalls, wenn das Licht des Bahnsteigs erscheint oder die U-Bahn zur Hochbahn wird. Da nervt es, wenn die Scheiben bemalt sind. Aber will der Rausguckende auch permanent angeguckt werden. Per Video?

Die BVG meint: Ja. Sämtliche U-Bahn-Wagen sollen in Zukunft mit Kameras ausgestattet werden. Big brother is riding with you. Grund: die angeblich großen Vandalismusschäden. Das kennt man zur Genüge von der BVG. Immer, wenn irgend etwas in dem Unternehmen, das jährlich riesige Verluste einfährt, nicht klappt, sind die Kriminellen schuld: die Schwarzfahrer, die Sprayer, die Straßenfeger-Verkäufer.

Million um Million, Mann um Mann steckt die BVG in den Kampf gegen die Verwahrlosung der Sitten im Untergrund: Schwarze Sheriffs schicken Obdachlose in den Regen, Angestellte in Zivil spüren die umsonst Fahrenden auf, die Zugabfertiger rufen wegen ein paar lauter Jugendlicher schon mal die Polizei. Genutzt hat das alles nichts. Jahr für Jahr muss die BVG einen deutlichen Fahrgastschwund hinnehmen. Bei ständig steigenden Preisen und einem reduzierten Angebot ist das kein Wunder. So logisch das ist – schließlich bestimmen auch im Verkehrsbereich Preis und Leistung den Umsatz –, die BVG weist solche Gedanken weit von sich. Ebenso alternative Tarifkonzepte: Die Verhandlungen über das Semesterticket für Studierende kommen ebenso wenig voran wie die über das Jobticket für Berufstätige. Auch wegen zu hoher Preisforderungen der BVG.

So drängt sich der Eindruck auf: Um von strukturellen Defiziten abzulenken, kramt die BVG immer wieder neue repressive Maßnahmen aus der Law-and-order-Mottenkiste. Allerdings sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Die BVG trifft in einer Stadt, in der die Videoüberwachung öffentlicher Plätze munter diskutiert wird, durchaus auf Zustimmung. Bald könnte also alles sein wie in der Autometropole Detroit. Die einzige öffentliche Bahnlinie, eine kurze Magnetbahn, ist vollständig videoüberwacht, absolut verbrecherfrei und – ziemlich leer.

Richard Rother

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