■ Kommentar: Gut gemeint, schlecht getan Der ZDF-Boykott gegen die DVU bringt nichts
Morgen wird in Thüringen gewählt. Aber die DVU hat bereits gestern ihren größten Sieg errungen. Per einstweilige Verfügung verhinderte sie die Ausstrahlung einer ZDF-Diskussion mit den Spitzenkandidaten der Parteien. Möglich wurde dieser Streich, weil das ZDF einen anderen Gerichtsbeschluss ignorierte. Das Verwaltungsgericht Weimar forderte das ZDF am Donnerstag auf, den DVU-Kandidaten Otto Reißig zu der Aufzeichnung der Gesprächsrunde zuzulassen.
Mit allzu durchsichtigen Begründungen wurde Reißig trotz Gerichtsbescheids der Zutritt verwehrt. Nun hat das ZDF den Salat. Zwei Tage vor der Landtagswahl hat sie der DVU eine Plattform geboten, die für die Partei mehr wert ist als ihre Postwurfsendungen.
Die DVU und ihre potenziellen Wähler haben einmal mehr etwas gemeinsam: Sie sind Opfer des bürgerlich-parlamentarischen Systems. Und genau denen, die ihnen ein taktisches Verhältnis zum Rechtsstaat vorwerfen, können sie nun die eigenen Argumente um die Ohren hauen. Nein, der Kampf gegen Rechts ist nicht leicht. Und jene, die es dabei allzu gut meinen, erreichen oft das Gegenteil.
Niemand kann dazu gezwungen werden, mit Rechten zu reden. Es ist jedermanns private Entscheidung, ob er sich mit einem Gegenüber einlassen kann, der Auschwitz leugnet, die Todesstrafe und ethnische Säuberungen herbeisehnt. Etwas anders verhält es sich bei politischen Repräsentanten. Von ihnen darf man eine öffentliche Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen erwarten. Wer sagt: Mit denen rede ich nicht – um keinen Preis, der vergibt die Chance, im rhetorischen Nahkampf potenzielle Rechtswähler zurückzugewinnen. Aufgewertet werden die Rechten durch solche Konfrontationen nur, wenn man ihnen nichts entgegenzusetzen hat. Und leider ist das bei vielen Mitgliedern der CDU, SPD, PDS und den Grünen der Fall.
Fatal sind indes Fernsehmoderatoren, die schier aus dem Bildschirm kotzen, wenn sie einem leibhaftigen Faschisten gegenüberstehen. Sie sind DVU-Wahlkämpfer wider Willen. Denn bei der potenziellen Wählerschaft der Rechten kommt diese rüde Ungleichbehandlung gut an. Für sie ist dies nur ein weiterer Beweis, dass sich die da oben ohnehin von denen da unten abgewandt haben.
Eberhard Seidel
Bericht Seite 7
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