■ Kommentar: Der Boom der Bombe US-Senat verweigert sich der nuklearen Abrüstung
Der US-Senat hat den Atomteststoppvertrag CTBT ohne Anhörung und lange Debatten durchfallen lassen, nachdem einige republikanische Fundamentalisten eine Diskussion seit zwei Jahren systematisch verhindert hatten. Seit Eisenhower und Kennedy wurde immer wieder betont, wie wichtig ein umfassender Atomteststopp ist: Er verbietet allen Mitgliedsstaaten, Atomwaffen zu testen und durch Tests weiterzuentwickeln. Stets wurde kritisiert, Tests seien nicht überprüfbar und es würden die US-Arsenale besonders betroffen. Beide Argumente sind nachweislich falsch. Die Republikaner wollen nur eins: Bill Clinton schaden. Doch primär richten sie international Schaden an. Die Ablehnung ist kurzsichtig und stellt einen Fehler von historischem Ausmaß dar. Ohne Ratifikation der USA wird der CTBT nicht in Kraft treten. Russland und China haben ihn noch nicht ratifiziert und dürften weiter warten. Indien und Pakistan hatten signalisiert, dem Vertrag beizutreten. Nun jedoch werdenTestbefürworter dort bequeme Gründe finden, dem Vertrag nicht beizutreten. Schlimmer noch: Indien könnte dazu verleitet werden, weitere nukleare Tests durchzuführen, da die ersten Testserien technisch nicht erfolgreich waren. Die Reaktion der Militärdiktatoren in Pakistan ist ungewiss.
Die Krise des Teststopps könnte zudem die gesamte weltweite Abrüstung gefährden. In Russland werden die Abrüstungsgegner weiteren Auftrieb erhalten. Die Ratifikation von Start-II dürfte in weite Ferne gerückt sein. Die weltweite nukleare Abrüstung steckt in einer tiefen Krise, und die USA haben ihre Führerschaft auf dem Gebiet ohne Not aufgegeben. Vielleicht werden Clinton oder sein Nachfolger den CTBT eines Tages doch durch den Kongress bringen. Bis dahin ist allerdings viel Zeit bei der nuklearen Abrüstung verloren worden.
Die Entscheidung des US-Senats könnte der Vorbote für weiteres nukleares Wettrüsten sein. Die Testbefürworter und Nuklearwaffenenthusiasten in anderen Staaten werden auf die USA zeigen und sich überlegen, ob sie zukünftig nicht doch auf „die Bombe“ setzen. Übrigens: Der letzte internationale Vertrag, den der US-Senat ablehnte, war 1920 der Versailler Vertrag. Die USA traten damals nicht dem Völkerbund bei – es folgte der Zweite Weltkrieg. Götz Neuneck
Referent am Institut für Friedensforschung, Hamburg
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