piwik no script img

Kommentar zur Neuausrichtung der FifaSie können nicht anders

Kommentar von Markus Völker

Letzte Chance Reformpaket: Bekommt die Fifa die notwendige Mehrheit für einen Neuanfang? Skepsis ist angebracht.

Ebenfalls Schweizer und einer der Favoriten auf die Nachfolge von Sepp Blatter: Gianni Infantino. Ist das ein vertrauenserweckendes Lächeln? Foto: ap

S ie hat keine andere Wahl, die Fifa muss sich neu erfinden. Unter Tagesordnungspunkt acht, Reform der Fifa-Organisationsstruktur, geht es heute in Zürich darum, ob der internationale Fußballverband den Anschluss an die Zukunft findet. Sie haben sich Neuerungen ausgedacht, die auf dem Papier ganz gut aussehen.

Die Fifa möchte künftig wie ein Unternehmen daherkommen, mit Aufsichtsrat und Geschäftsführung. Sie möchte sich von außen kontrollieren lassen, Gehälter offenlegen und die Struktur straffen. Es geht darum, die Umtriebe der Fußballfunktionäre aus aller Welt einzuhegen, ihnen einen klaren Rahmen zu geben. Es ist ein Antifilzprogramm.

Die Idee ist gut, fragt sich nur, ob die Herren der Fifa und die sehr wenigen Frauen bereit sind für den Wandel. Die Skepsis ist mehr als angebracht, denn die Reformen sind erst einmal nur Absichtserklärungen. Sie gedeihen als zarte Keimlinge auf dem Humus externer Ermittlungen. Die Justiz in den USA und der Schweiz musste ja erst die Paragrafenkeule schwingen, bis sich im Weltverband etwas bewegte. Und verabschiedet sind die Neuerungen ja auch noch nicht.

Drei Viertel der Delegierten müssen für den Umbruch stimmen. Von diesem Votum hängt alles ab: Haben die Funktionäre kapiert, wie ernst die Lage ist? Ist ihnen klar, dass ihnen die Öffentlichkeit keine zweite Chance geben wird? Sind sie sich bewusst, welch irreparablen Imageschaden eine neuerliche Reformverweigerung hätte? In diesem Fall stünde die Fifa vor dem Aus. Die Fußballwelt müsste dann über Alternativen zu diesem gescheiterten Verband nachdenken.

Sind die Herren der Fifa und die sehr wenigen Frauen bereit für den Wandel?

So stimmig die neuen Strukturen sein mögen, die Präsidentschaftskandidaten sind es nicht. An der Spitze der Fifa könnte künftig mit Scheich Salman bin Ibrahim al-Chalifa ein Mann stehen, der in Menschenrechtsfragen in seinem Land Bahrain versagt hat. Mit ihm würde die Fifa einen Neuanfang schon mal gründlich vergeigen, denn ihr künftiges Gut ist mehr denn je Glaubwürdigkeit.

Die Hoffnung, dass der Präsident in der neuen Organisationsstruktur zu einer Art Grüßaugust verkommt und die wahre Macht in den Händen des Geschäftsführers liegt, ist trügerisch. Bislang haben es die Funktionäre der Fifa immer wieder geschafft, sich eine Parallelwelt zurechtzumauscheln, ein Universum, in dem vor allem eines verpönt war: ein Mentalitätswandel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Markus Völkers Skepsis kann ich teilen. Auch für mich sieht es so aus, als hätten es "die Funktionäre der Fifa immer wieder geschafft, sich eine Parallelwelt zurechtzumauscheln, ein Universum, in dem vor allem eines verpönt [ist]: ein Mentalitätswandel." Genau deswegen glaube ich nicht an einen Wandel: Wieso sollten diese Männer (und sehr wenigen Frauen) denn nicht weiter häkeln an ihrem Universum, sobald "die Justiz in den USA und der Schweiz" ihre "Paragrafenkeule" weggelegt hat? Es kann ja schließlich nicht mehr all zu lange dauern bis da hin.

     

    Überhaupt: Dass das "künftige[] Gut" der Fifa "mehr denn je Glaubwürdigkeit [ist]", ist eher ein Wunschtraum als eine nachweislich wahre Tatsachenbehauptung. Allerdings einer, gegen den die Fifa ganz gewiss nicht klagen wird. Der Fifa kann es nämlich recht sein, wenn niemand merkt, dass ihr "künftiges Gut" zugleich das alte "Gut" ist. Sie hat noch immer sehr viel Geld, die Fifa. Und exakt jene "Öffentlichkeit", die ihr "keine zweite Chance geben" dürfte, wenn sie sich nicht ernsthaft reformiert, ist immer noch erkennbar scharf auf dieses Geld.

     

    Überhaupt geht meine Skepsis weiter als die von Herrn Völker. Ih glaube bisher nicht einmal daran, dass wenigstens "die Öffentlichkeit" bereits "kapiert" hat, "wie ernst die Lage ist". Der "irreparable[] Imageschaden eine neuerliche Reformverweigerung" ist ihr ganz offensichtlich völlig schnuppe. Weil: Bislang ist die Fifa ja noch alternativlos für jeden, der auch morgen mit Fußball reich werden oder doch wenigstens Fußball geschenkt kriegen will. Wer soll schon ernsthaft "über Alternativen [...] nachdenken", wenn er damit im Grunde nur verlieren kann?

     

    Nein, noch ist die Fifa kein "gescheiterte[r] Verband".