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Kommentar zur GrundrenteKeine Rücksicht auf Berlin

Kommentar von Luise Land

Vielen Berliner Berufstätigen bringt die Grundrente nichts. Denn sie arbeiten in neuen Arbeitsformen oft ohne staatliche Rentenversicherung.

Wer nach dem Studium erst freiberuflich arbeitet, kommt kaum auf 35 Beitragsjahre Foto: dpa

V iele Jahre gearbeitet und trotzdem kaum Geld zum Leben im Alter: Für dieses Dilemma will die Bundesregierung nun eine Lösung gefunden haben. Ab Januar 2021 soll, wer 35 Jahre in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt und trotzdem zu wenig Rente zum Leben hat, mehr Geld bekommen. Um den vollen Rentenaufschlag zu erhalten, darf das Monatseinkommen bei Alleinlebenden nicht über 1.250 Euro, bei Paaren nicht über 1.950 Euro liegen. Das verkündete die Bundesregierung am vergangenen Montag. Diese Grundrente genannte Rentenaufstockung soll das Problem der Altersarmut lösen. Doch für Berlin wird das nicht reichen.

Denn in der Hauptstadt wimmelt es nur so von Honorarkräften, Free­lan­ce­r*in­nen und sogenannten Soloselbstständigen. Im europaweiten Freelance-Vergleich belegt Berlin der Online-Projektbörse Twago zufolge seit Jahren Platz eins. Und all diese sind zwar berufstätig, aber selten in den staatlichen Sozialversicherungen. Denn die meisten Freiberufler setzen lieber auf private Altersvorsorge, statt freiwillig in die gesetzliche Rentenkasse einzuzahlen.

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-­Karrenbauer sagte am Montag, die Grund­rente gebe ein klares Signal an Menschen, „die ihr Leben lang hart gearbeitet, aber trotzdem nur eine kleine Rente hätten“. Dabei setzt die Bundesregierung mit ihren 35 Jahren gesetzlichen Beitragszahlungen auf ein ziemlich altmodisches Arbeitsmodell. Der freie Journalist oder die Influencerin, die auf Honorarbasis tätigen IT-Fachleute oder Wis­sen­schaftler*innen werden nicht von der neuen Rentenregelung profitieren – selbst wenn sie am Ende vielleicht auch 35-jährige Arbeitsbiografien haben.

Studien belegen, dass die Mehrzahl der Menschen, die von Altersarmut bedroht sind, oft weniger als 35 Beitragsjahre haben. An einer Lösung für das Problem der Altersarmut streift die Bundesregierung also nur vorbei. Ganz zu schweigen von Ehepartner*innen (statistisch gesehen mit hoher Wahrscheinlichkeit Frauen), die neben 35 schlecht bezahlten Arbeitsjahren einen Partner haben, der mehr verdient hat als sie. Ihre Arbeit wird in Zukunft auch nicht mehr gewürdigt werden als zuvor.

Die Bundesregierung setzt auf ein altmodisches Arbeitsmodell

Und ab Januar wird für manche Ber­li­ner*innen noch ein ganz anderes Problem auftauchen: Bei Menschen, die bereits in der DDR Rentner*innen waren, gibt es laut Deutscher Rentenversicherung häufig nicht die nötigen Daten.

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13 Kommentare

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  • 0G
    06137 (Profil gelöscht)

    "Dabei setzt die Bundesregierung mit ihren 35 Jahren gesetzlichen Beitragszahlungen auf ein ziemlich altmodisches Arbeitsmodell. Der freie Journalist oder die Influencerin, die auf Honorarbasis tätigen IT-Fachleute oder Wis­sen­schaftler*innen werden nicht von der neuen Rentenregelung profitieren – selbst wenn sie am Ende vielleicht auch 35-jährige Arbeitsbiografien haben."



    Es geht nicht um das "35 Jahre gearbeitet haben" sonder um "35 Jahre Rentenbeiträge gezahlt zu haben". Warum sollte, wer nie einbezahlt hat, nun nicht nur eine Rente aus der GRV, sondern auch noch eine Rentenaufstockung erhalten? Für diese Fälle gibt es ebenso für ewige Schwarzarbeiter immer noch die Grundsicherung.

  • 9G
    90618 (Profil gelöscht)

    Viele Menschen arbeiten heutzutage nicht mehr ihr ganzes Leben im Heimatland? Bauarbeiter, Wissenschaftler, Kraftfahrer, Tourismusfachkräfte, Ingenieure, Sexarbeiter, Kulturschaffende usw. sind manchmal jahrelang in anderen europäischen oder außereuropäischen Staaten tätig. Andere Menschen kommen vielleicht erst mit 40 Jahren nach Deutschland, haben davor aber in ihrer Heimat gearbeitet. Wie wird mit diesen Arbeitsjahren umgegangen? Wird das in irgendeiner Form angerechnet?

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    "Denn die meisten Freiberufler setzen lieber auf private Altersvorsorge, statt freiwillig in die gesetzliche Rentenkasse einzuzahlen."

    Dann ist das eine individuelle Entscheidung, dieser Solidargemeinschaft NICHT beizutreten und dann auch nur konsequent, KEINE Leistungen zu bekommen. Sich freiwillig zu versichern ist so weit mir bekannt auch Selbständigen möglich.

    • 0G
      06137 (Profil gelöscht)
      @83492 (Profil gelöscht):

      Oh ja. Und das tun auch etliche, mich eingeschlossen. Und ich sehe nicht ein, warum von meine Beiträgen eine Rente für Leute finanziert werden sollte, die das nicht tun. Für diese Fälle gibt es die Grundsicherung, die nicht aus der GRV, sondern aus Steuermitteln gezahlt wird.

  • 0G
    07400 (Profil gelöscht)

    Ohja. Bei den ganzen Ausnahmen hat wer weiter Arbeit? Eben.

    Damit alle gut leben braucht es ein Einkommen für alle. Ohne Ausnahmen. Dabei gebe es einen Vorteil?

    Die Arbeitgeberbeiträge und AN Beiträge zur RV könnten entfallen.

    Lasst die Sektkorken knallen.



    Geld liebe Leute kommt aus dem Drucker nachdem es in einem Buch girierd wurde.



    Welche Diskussionen sind da Weiter So Reform So noch zu führen? Keine.

    Geld von Allen für Alle zu Gleichen Teilen.

  • Weshalb wir für Berlin immer oftmals ein Extrasüppchen gefordert?

    Wäre es nicht besser, wenn Berlin sich den übrigen Standards anpassen würde? Ein wenig mehr Gentrifizierung könnte da helfen.

    Und diejenien die es sich ungeachtet ihrer Selbstaändigkeit Berlin leisten können (davon gibt es nicht zu wenige), können sich auch eine ordentliche private Altervorsorge leisten. In vielen Fällen sind das vermietete Wohnungen - oftmals in Berlin. Dann möglichst möbeliert und zu Höchstpreisen gerne mit Zeitvertag an Ausländer.

    Alle anderen sollten sich entweder einen anderen Job oder eine andere Stadt suchen.

    Die müssen nicht vom Steuerzahler subventioniert werden.

  • wer nicht genug Geld bekommt als Selbstständiger um sich eine Altersversorgung anzusparen hat sich halt den falschen Job ausgesucht, ist nee Niete in seinem Job oder kann nicht gut verhandeln.In jedem Fall sehe ich keinen Grund warum er aus dem Sozialsystem bezuschußt werden soll.Wenn ich sehe was die mir bekannten Selbstständigen Schweißer bekommen ohne Studium ist da kein Mitleid angebracht.

  • "Denn die meisten Freiberufler setzen lieber auf private Altersvorsorge, statt freiwillig in die gesetzliche Rentenkasse einzuzahlen."

    Verstehe dann den Sinn der Kritik nicht, ehrlich gesagt.



    Wenn man nichts einzahlt, bekommt man auch nichts raus.



    Ist doch irgendwie logisch, oder?

    • @zzzap:

      Es ist komplizierter. Viele dieser Honorarkräfte und FreelancerInnen können nicht die >Honorare durchsetzen, die dazu nötig wären, eine private Vorsorge zu stemmen.

      Wie sieht es (um zwei Extremfälle zu benennen) z.B. bei einem Velokurier oder bei einem Juicer aus?

      • @tomás zerolo:

        Und warum bitte ackern die Selbstständigen dann zu diesen prekären Bedingungen, obwohl doch andererseits Fachkräftemangel herrscht?



        Der Preis der Sicherheit ist nun mal die Freiheit.

        • @Saccharomyces cerevisiae:

          Selber schuld also, wenn mensch sich auf ein Prekärjob einlässt. All diese prekären Gastronomiekräfte, Juicer, Paketdienste, FriseurInnen. Alle selber schuld.

          Das ist so zynisch, dass ich den Eindruck habe, Sie wollen nur trollen.

          Ich nehme mir jetzt meine Freiheit und ignoriere Sie einfach mal in Zukunft.

          • @tomás zerolo:

            Ich habe mich nicht zu prekären Beschäftigungsverhältnissen ("Jobs") geäußert sondern zu den Selbstständigen, die sich nicht "auf einen Prekärjob einlassen" sondern mit ihrer selbstständigen oder freiberuflichen Tätigkeit keine guten Zukunftsaussichten haben. Der (IMHO nur scheinselbstständige) "Juicer" ist keine Tätigkeit auf Lebenszeit. Alle anderen von Ihnen erwähnten Werktätigen sind Nichtselbstständige, für die die Grundrente eben gerade eingeführt wurde.



            Zynismus wäre es beispielsweise, nach einigen Jahrzehnten voller Spaß als "Digitaler Nomade" in weltweiten "CoWorkingSpaces" den Zugang zum gesetzlichen Rentensystem zu fordern.

          • 0G
            08088 (Profil gelöscht)
            @tomás zerolo:

            Ein Friseur ist angestellt oder betreibt sein eigenes Studio.