piwik no script img

Kommentar zum Tod Ariel ScharonsDer Kompromisslose

Kommentar von Susanne Knaul

Ariel Scharon war Ziehvater der israelischen Siedlerbewegung. Dennoch trat er für die Zweistaatenlösung ein.

Ariel Scharon, kurz nach seinem Wahlsieg 2001. Bild: ap

V on Taktgefühl zeugen die Feiern in Gaza und die Freude der Feinde Ariel Scharons über seinen Tod nicht gerade. Verständlich sind sie trotzdem. Scharon klebte das Blut an den Händen. Auch das der Palästinenser von Sabra und Schatilla, obschon er dem Morden in den Flüchtlingslagern vor gut 30 Jahren nur zusah. Wie so viele Male zuvor war er damals ausgezogen, um Terrorkommandos zu zerschlagen. Von diesem Ziel angetrieben ließ er das Unrecht an den Unschuldigen geschehen.

Für Scharon gab es keine Kompromisse mit Terroristen. Nicht wie Yizhak Rabin, einem seiner Vorgänger im Regierungshaus, der Verhandlungen führte, als gäbe es keinen Terror, um gleichzeitig den Terror zu bekämpfen, als gäbe es keine Verhandlungen, lehnte Scharon den Dialog mit den Palästinensern unter Feuer ab. Stattdessen stellte er den damaligen Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat auf Jahre kalt.

Scharon allein als skrupellosen Terroristenjäger zu erinnern, täte ihm Unrecht. Das war er zwar genauso wie er Ziehvater der Siedlerbewegung war und Pragmatiker und Visionär und Bauer. Aufgewachsen in einem Moschaw, einer Landwirtschaftskooperative, war Scharon von frühester Kindheit an viel stärker sozialistisch geprägt als von einer religiös-nationalistischen Groß-Israel-Ideologie.

Aus strategischen Erwägungen preschte er mit dem Siedlungsbau in den Palästinenensergebieten voran. Nicht die Vorstellung vom gottgegebenen Erez Israel trieben ihn dabei an, sondern die Sorge um die Sicherheit seines Landes und der Mangel an Vertrauen dem Nachbarn gegenüber. Wie Benjamin Netajahu, Israels heutigem Regierungschef, sprach er den Palästinensern den ernsthaften Friedenswillen ab, solange sie Israel nicht als jüdischen Staat anerkennen würden.

Doch anders als Netanjahu zögerte er nicht, die Dinge beim Namen zu nennen und sich offen für zwei Staaten zu erklären. Scharon überraschte, als er von „Besatzung“ und von „Palästina“ sprach und verkündete, die Kontrolle über das andere Volk nicht ewig fortsetzen zu wollen. Der Abzug aus dem Gazastreifen sollte ein weiterer Schritt sein hin zur Zweistaatenlösung, die auch den Abriss von Siedlungen bedeuteten würde, die zuvor unter seiner Aufsicht entstanden waren. Dass Scharon seinen letzten politischen Feldzug nicht zu Ende führen konnte, gehört zu den großen Einbrüchen im Friedensprozess mit den Palästinensern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • V
    Veilchen

    Was sind denn die Gründe für das Höchstmass an militärischer Präsenz der Israelis? Wenn man die nicht kennt, oder nicht wahrhaben will, kann man sie weder gerechtfertigt finden, noch verwerfen. Terror bedingt die Präsenz des Militärs. Die Frage, ob das gerechtfertigt ist, kann von hier aus schlicht nicht beantwortet werden, ohne dass man sich des Zynismus schuldig macht. Das gilt längst auch abseits der historischen Schuld, die Deutsche auf sich geladen haben, aber natürlich unverändert in Anbetracht dessen umso mehr.

     

    Niemand würde nach Sotschi fahren, wäre es dort so gefährlich, wie es meist in Israel ist. Und der Versuch der Palästinenser, vermittels einer hohen Geburtenrate die Mehrheitsverhältnisse in Israel zu kippen, bedingt die Expansion, etwa auf der Westbank. Das sind die tatsächlichen Spannungsfelder jenseits des naiven Pazifismus, dessen man sich vorwiegend dann befleissigen kann, wenn man gemütlich und völlig abgesichert gegen alles in seiner Wohnküche sitzt.

     

    Ein Mensch wie Scharon steht für die furchtbare Welt da draussen, und es kann sein, dass sein Antlitz in so furchtbarer Weise verzerrt ist, weil all das Irrsinn zu sein scheint. Viele, welche diese Absurdität nicht aushalten können oder wollen, suchen nach griffigen Urteilen.

     

    Es ist leicht, einem alten Haudegen, der auch noch den Spitznamen Bulldozer hat, die Schuld an allem zu geben. Mir ist das zu einfach. Die Gründe, warum Scharon ein Held unserer Zeit sein könnte, wiegen schwer.

     

    Vielleicht liegt das Problem darin, dass er zuerst ein Held war und danach ein Politiker.

    • @Veilchen:

      das ist ja ne wilde mischung.

  • zwei-staatenlösung? ich mein ja, Scharin schwebte eher so was wie eine anderthalb-staatenlösung vor. dadurch gekennzeichnet, dass der eine den halben militärisch in schach hält.

  • L
    lDuplo

    Man sollte bitte mal aufhören, die diversen Kriege, in die Israel seit seiner Gründung hineingezogen wurde, immer als aggressive Akte des winzigen Landes umzuwidmen, welches man mit gewaltiger arabischer Übermacht und dem erklärten Ziel angriff, alle Menschen ins Meer zu treiben.

     

    Und vorrübergehende Landnahmen sind nicht völkerrechtswidrig, Stichwort entmilitarisierte Zone, etc. Das kann unter Umständen auch dann gelten, wenn die zu bekämpfenden Übel Freischärlertum und Terrorismus sind. Die Westbank Leuten wie der Hamas zu überlassen bedeutet, dass es mehr Tote geben wird, mehr Folter, mehr Unterdrückung und Rassismus.

     

    Ariel Scharon steht auch dafür, dass den fundamentalistischen Kräften der Destruktion nicht vorbehaltlos das Feld überlassen wurde. Über seine Methoden mag man streiten, über seine eigentlichen Ziele ist das kaum möglich.

     

    Dass er in dem Sinne gar kein fundamentalistischer Verfechter Grossisraels war, hat er, wie der Kommentar gut klarstellt,in seinem politischen Wirken deutlich nachgewiesen.

     

    Und betreffend Sabra/Schatila: sicher muss man Scharon die Kooperation mit der Phalange vorwerfen. Aber die Lesart, er habe dieses Massaker gewollt, oder sei sogar Hauptschuldiger, geht an allen bekannten Tatsachen völlig vorbei.

  • LD
    Lupenreiner Demokrat

    Wenn Leute unter dem Schutzmantel der Anonymität Scharon wahlweise zum Dieb, Mörder oder Kriegsverbrecher machen, rechtfertigen sie eher ein Verhalten wie das hier beklagte der Zeit-Online-Redaktion.

    Ich denke, die historische Figur Ariel Scharon kann natürlich unter der Prämisse, dass alle Soldaten Mörder seien, auch als ein solcher bezeichnet werden. Man darf aber umgekehrt annehemen, dass er in den diversen Kriegen, in denen die zigfach überlegenen Araber die Ausrottung aller Israelis zum Ziel hatten, hundertausende Menschen rettete. Klar, auch Frauen und Kinder.

     

    Und er bewahrte die Demokratie vor der Vernichtung durch den sie umringenden Totalitarismus.

     

    Dass es auch im Nahen Osten um Demokratie versus Autokratie und Feudalismus ging und geht, wird ja absurder Weise zuerst von den deutschen Linken immer gern mal vergessen.

    • @Lupenreiner Demokrat:

      Soldaten werden natürlich nur zum Brunnenbauen gebraucht und ausgebildet. Das Morden erledigen andere.

  • GF
    Gefillte fish

    In seiner Kompromislosigkeit hat Scharon nichts von einem Nazi unterschieden - hier hat er sich leider die falschen Vorbilder gesetzt.

    • T
      Tintenfisch
      @Gefillte fish:

      Lesen sie mal eine beliebige Hitler-Biographie, dann finden sie heraus, dass die Nazis das genaue Gegenteil von Kompromisslosigkeit waren, nämlich ein verlotterter Haufen von Chaoten vor dem Herrn.

       

      Der Mythos des kompromisslosen Nazis geht auf die Filmchen von Rieffenstahl etc. zurück.

       

      Das heute noch vergleichend heranzuziehen ist ebenso, wie den Mythos zu bedienen, sie hätten die Autobahn erfunden.

       

      Eva Herman und Guido Knopp lassen grüssen. Wenn schon provokant, dann vielleicht zumindest halbwegs stilsicher, respekive historisch stimmig.

  • D
    D.J.

    Kaum ein Massaker des 20. Jh. ist so gründlich untersucht worden (von den Israelis) wie das von Sabra und Shatila, als unter den Augen der israelischen Armee Araber (maronitische Miliz) Araber (PLO und Zivilisten) ermordeten. Dass Sharon zumindest politische Konsequenzen tragen musste, war richtig. Dass er wieder politische Macht erlangte, sicher bedauerlich. Erfreulich wäre allerdings, wenn auf arabischer Seite auch nur ein Bruchteil an Aufarbeitung und Kritik eigener Kriegsverbrechen geschähe, wie sie in Israel von Seiten zahlreicher Organisationen und Individuen üblich ist.

  • Scharon war ein Dieb und ein Kriegsverbrecher. Schreibt lieber über die Menschen in Palästina und in Israel, die trotz Scharon noch friedlich zusammenleben wollen.

  • Einen solchen Kommentar, der die notwendige Distanz hält, liest man selten, Danke Frau Knaul.

    Anders als bei Zeit usw. gehen Sie nicht nur auf seine nur für sein Land positive Taten ein, sondern auch auf die Taten, die für die anderen eben Unterdrückung, Vertreibung und Tod bedeutet.

     

    Das seriöse Medium namens "Zeit-Online" verbot gestern von vornherein mit einer an Lächerlichkeit nicht zu überbietenden Begründung die Kommentierung.

  • C
    claudia

    ich kann nicht mit dem finger draufzeigen, aber irgendwie habe ich ariel scharon etwas anders in erinnerung... irgendwie habe ich generell das gefühl dass der artikel recht einseitig ist und zB die rolle als befürworter des siedlungsbaus (heute immerhin das primäre hindernis auf dem weg zur zweistaatenlösung) zu wenig beleuchtet wird.

     

    ich fände es generell (nicht nur bei diesem artikel) gut, wenn mehr quellen oder links angegeben würden

  • M
    MeteBerk

    Nichts kann seine Taten beschönigen! Schon gar nicht, wenn dabei Kinder getötet wurden!

  • SA
    Sharon Arieli

    Was ein Unsinn, da weiss man nicht wo anfangen.

     

    Schon die Überschrift, KOMPROMISSLOSE, ist das

    DEPORTIEREN von 10.oooden Juden aus GASA

    Kompromisslos?

     

    Der Hass muß groß sein, oder?

    • BD
      Bas Dost
      @Sharon Arieli:

      "10.000de" von Juden wurden deportiert ? Das soll ja wohl ein Schrez sein , oder?