Kommentar zum Morgenpost-Verkauf: Machs gut, Westberlin
Wenn die "Morgenpost" kein Springer-Blatt mehr ist, droht eine Zeitung, die man nicht mal mehr blöd finden kann. Das kann niemanden in Berlin egal sein.
A m Abend, als Westberlin seinem Ende entgegenging, weilte Walter Momper bei Springer. Der Regierende Bürgermeister von Berlin (West) besuchte im Verlagshaus die Verleihung des Goldenen Lenkrads – bis ihn dort echte News erreichten und er weiterzog: zum Mauerfall. Zufall? Mag sein. Aber nichts kann die Bedeutung des Verlags besser veranschaulichen, als dass der Regierende die Nacht des 9. November 1989 ausgerechnet dort begann.
Springer hatte mit der Berliner Morgenpost und der B.Z. nicht nur die Medienlandschaft, sondern auch die Stadt geprägt. Die konservativen Blätter waren stets auch Politikum. Ein Feindbild für die Linken, eine Heimat für die Schrebergärtner, Schultheiß-Trinker und für die zum Teil gar intellektuelle Basis der CDU-Ortsverbände.
Seither hat sich viel verändert. In der Stadt. Und auch bei Springer. Der Verlag versuchte redlich, die alte Tante Morgenpost der zunehmend tuntig bunten Hauptstadt anzupassen. Zumindest in den Werbekampagnen. Doch das große Lokalblatt blieb im Zweifel stets die Mottenpost. Zum Glück! Denn es gibt immer noch einen entsprechenden Lesermarkt: Schließlich findet selbst die CDU hier Wähler. Ja, sie ist sogar an der Regierung – auch wenn man das im flockigen Berlin oft gar nicht merkt.
Das entscheidende Label
Nun verscherbelt Spinger seine Morgenpost – was zunächst bedeutet, dass dem Verlag das piefige Westberlin nicht mehr reicht. Er strebt nach Höherem. Aber was heißt das für die Zeitung? Und für die Stadt? Nun, die Morgenpost ist zwar noch lange nicht tot. Doch der Mopo wird das entscheidende Label fehlen: Springer-Blatt. Es droht eine Zeitung, die man nicht mal mehr blöd finden kann, die nur noch eins ist: egal. Und das kann niemandem in Berlin egal sein.
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