Kommentar zum EU-Waffenembargo: Waffen für Syrien?
Auf UN-Ebene gibt es kein Waffenembargo, weil Russland das nicht will. So kann der syrische Diktator ungehindert weiter aufrüsten.
G roße Aufregung wäre vorprogrammiert, sollte das EU-Waffenembargo gegen alle Seiten in Syriens Bürgerkrieg tatsächlich fallen, wie von Großbritannien und Frankreich gewünscht. Eine gängige Meinung auf der Linken ist: Jede Waffenlieferung ist von Übel. Aber an den Realitäten in Syrien und dem Leid seiner Bevölkerung geht diese Haltung vorbei.
Angesichts von über 70.000 Toten und einer bewaffneten Konfrontation, die jede Woche unübersichtlicher und gefährlicher wird, ist es dringend nötig, den Krieg zu beenden. Dies geht nur, indem der Sturz der derzeit mörderischsten Diktatur der Welt beschleunigt und ein demokratischer Neuanfang ermöglicht wird.
Und dafür muss die Weltgemeinschaft die Kräfte der Demokratiebewegung in Syrien schützen und stärken, deren friedlicher Aufstand vor zwei Jahren am Ursprung des Konflikts stand.
Das menschenverachtende Assad-Regime und die islamistischen Radikalen aufseiten der Rebellion erhalten Waffen – die demokratisch gesinnten Kräfte nicht. Das ist die Folge der bisherigen Sanktionsbeschlüsse der EU. Europa erkennt zwar die gemäßigten Aufständischen als legitime Vertretung des syrischen Volkes an, tut aber nichts für sie.
Auf UN-Ebene gibt es kein Waffenembargo, weil Russland das nicht will. So kann der syrische Diktator ungehindert weiter aufrüsten, und die Islamisten scheren sich sowieso nicht um Diplomatie.
ist Co-Leiter des Auslandsressorts der taz.
UN-Blauhelmmission
Schon vor zwanzig Jahren stand die Weltgemeinschaft angesichts des Krieges im ehemaligen Jugoslawien vor derselben Entscheidung. Damals galt gegen alle Kriegsparteien ein UN-Waffenembargo. Aber das Milosevic-Regime in Belgrad rüstete ungeniert die Armee der bosnischen Serben auf, während sich die legitime bosnische Regierung nicht verteidigen durfte.
Eine UN-Blauhelmmission überwachte das Waffenembargo zwar, schützte aber nicht die Bevölkerung und lieferte so die Menschen in Sarajevo, Srebrenica und anderen Orten des Grauens ans Messer.
In einer Situation, in der eine Kriegspartei stärker ist als die andere und die schwächere Partei Opfer von Kriegsverbrechen ist, zementiert ein Waffenembargo Ungleichgewichte, kostet Menschenleben und schützt Verbrecher. Gerade Europa, das in Jugoslawien so kläglich versagte, darf sich jetzt in Syrien nicht noch einmal durch Nichtstun auf die Seite der Mörder stellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau