Kommentar zu Bausparverträgen: Ist der Ruf erst ruiniert
Die Bausparkassen dürfen jetzt Verträge einseitig kündigen. Kein Skandal, sagen manche, die Sparer haben ja auch nicht eingelöst. Ist das wirklich fair?
E in langfristiger Vertrag, bei dem Zinsen eine Rolle spielen, ist immer eine Wette: Die Bank oder die Bausparkasse wettet darauf, dass die Wirtschaft im Allgemeinen und die Zinsen im Speziellen sich so entwickeln, dass sie dabei einen guten Deal macht. Der Verbraucher wettet darauf, dass er zumindest keinen grottenschlechten Deal macht. Denn wie bei einer Wette gilt auch hier: Die besseren Karten hat der Beteiligte mit dem Informationsvorsprung und den meisten Juristen, und das ist nun mal in der Regel das Geldinstitut.
Doch nun hat der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil, dass die Institute gut verzinste Altverträge kündigen dürfen, leider auch noch den kleinen, unwahrscheinlichen Fall, dass der Kunde nicht nur keinen grottenschlechten, sondern einen ganz guten Deal macht, abgeschafft. Das Risiko der Wette liegt damit genau auf einer Seite: beim Kunden. Das ist nicht nur unfair, sondern widerspricht auch der eigenen Werbestrategie der Institute, die das Bausparen jahrelang als flexible Anlageform bewarben. Zumal sie mit den heute ungewollten Kunden über Jahre ganz gut Geld verdient haben. Und sollte den Instituten umgekehrt bei längerer Zahlung der vereinbarten Zinssätze der Bankrott drohen, spräche das nicht gerade für umsichtiges Wirtschaften.
Man kann jetzt überlegen, was das Urteil für das Vertrauen in Banken, Bausparkassen und Geldanlagen bedeutet, aber erstens ist das vermutlich spätestens seit der Finanzkrise eh nur noch in Spuren vorhanden, und zweitens ist Vertrauen vielleicht nicht unbedingt die Maßeinheit für Beziehungen zu Banken.
Was es aber braucht: Rechtssicherheit. Verträge müssen eingehalten werden. Die Institute selbst fordern das häufig genug von ihren Kunden, und das, selbst wenn das eigene Geschäftsgebaren eher unredlich ist – man denke an überhöhte Dispozinsen. Aber vielleicht ist das Teil des Problems: Wer ohnehin keinen Ruf mehr zu verlieren hat, muss sich um Verbraucherfreundlichkeit auch nicht kümmern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja