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Kommentar von Tim Caspar Boehme zur Blockbuster-Strategie des KulturstaatsministersVerbale Aufrüstung bei anhaltendemFinanzierungsvorbehalt

Die Sache liest sich prima. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer kündigt den „Durchbruch“ an, dass die Bundesregierung die „Filmförderung auf 250 Millionen Euro jährlich verdoppelt“, um den Film­standort Deutschland zu stärken. Dagegen kann man absolut nichts haben. Weimer selbst scheint so begeistert zu sein, dass man seiner Ankündigung geradezu eine Berauschtheit anzumerken meint: „Wir brauchen mehr Blockbuster und Serienhits made in Germany. Diese Reform ist der Soundtrack zum Aufbruch.“ Und so geht es weiter: „Die Filmförderfonds werden jetzt international konkurrenzfähig ausgestattet. Gleichzeitig flankieren wir dieses große Plus bei der Förderung mit einer Investitionsverpflichtung für Mediendiensteanbieter. Die Branche und die Länder wissen wir bei diesem Großmanöver für den Filmstandort Deutschland an unserer Seite“.

Da rüstet jemand kräftig mit Wortgebimmel auf. „Soundtrack zum Aufbruch“ soll irgendwie nach Kino klingen, während die der Militärsprache entlehnten Wörter „flankieren“ und „Großmanöver“ vermuten lassen, dass sich Weimer den vierfachen Oscar-Gewinner von Edward Berger, das Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“, zum Vorbild genommen hat. Allein: Wie es sich mit dieser cineastischen Strategie in der Realität verhält, bleibt ungewiss. Die Devise „mehr Blockbuster und Serienhits made in Germany“ kommt zwar griffig rüber, doch ob die gewünschten Produkte zu den Stärken der Filmproduktion hierzulande passen, ist eine andere Frage. Genrefilme haben es in Deutschland traditionell schwer. Listet man die Kinohits aus Deutschland der 2010er auf, liegen die „Fack Ju Göhte“-Trilogie und Til Schweigers „Honig im Kopf“ vorn. Der Stoff für „international konkurrenzfähige“ Kinobeiträge sieht anders aus. Auch wäre interessant zu erfahren, ob kassenstarke Filme aus Deutschland im Sinne einer Quersubventionierung die weit günstigeren, aber oft umso stärker von Förderung abhängigen anspruchsvolleren Filme mitfinanzieren sollen. Ein militärisch unverdächtiger Ausdruck wie „Filmkunst“ fehlt in der Presse­mitteilung vollständig.

Für Kinos gibt es im Haushaltsentwurf keine zusätzlichen Mittel

Weimers Rechnung steht zudem unter einem heiklen Vorbehalt. Denn die „Investitionsverpflichtung für Mediendiensteanbieter“ stößt bei Firmen wie Netflix bisher auf keine Gegenliebe. Von deren Zustimmung hängt jedoch ab, ob knapp die Hälfte der genannten Fördersumme, 120 Millionen Euro, überhaupt freigegeben werden. Ohne die stünde die Filmförderung am Ende mit kräftig geleerten Taschen da. Bei all den Holly­wood-inspirierten Großproduktionsfantasien scheint eine entscheidende Partei in der Angelegenheit kaum in den Blick geraten zu sein: die Kinos. Für sie gibt es im Haushaltsentwurf keine zusätzlichen Mittel. In der Branche stehen laut dem Vorsitzenden des Ausschusses Kultur und Medien Sven Lehmann, Grüne, jedoch hohe Investitionen an. Wenn die Bundesregierung nicht handle, drohe in kommenden Jahren ein „Kinosterben“. Von seinem Durchbruch ist Weimer also noch weit entfernt.

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