Kommentar von Malte Kreutzfeldtüber das G20-Treffen in Hamburg: Krawall rettet Merkels Gipfel
Wenn Angela Merkel am Ende trotz massenhaften Protests als Gewinnerin aus diesem Gipfeltreffen der G20 hervorgehen wird, dann liegt es nicht an den inhaltlichen Ergebnissen. Denn die sind insgesamt dürftig – egal wie sehr sich alle Beteiligten gegenseitig dafür loben.
Am ehesten als Erfolg gelten kann noch der Beschluss zum Klimaschutz: In der Abschlusserklärung bekennen sich 19 der 20 Teilnehmer zum Abkommen von Paris und versprechen – zumindest abstrakt – eine schnelle Umsetzung. Merkels Plan, in dieser Frage einen harten Kurs zu fahren und den US-Präsidenten Donald Trump zu isolieren, ging zunächst auf – bis der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan unmittelbar nach Ende des Gipfels davon abrückte und eine Ratifizierung des Paris-Abkommens durch die Türkei infrage stellte.
Ähnliches gilt für den Freihandel: Hier sprach sich zwar die komplette G20 gegen Protektionismus aus, doch „berechtigte“ Handelsschutzinstrumente werden ausdrücklich anerkannt. Der Streit ist also nicht beigelegt, sondern wird sich künftig darum drehen, was als „berechtigt“ gilt. Und bei dem ursprünglichen Kernthema der G20, der Finanzmarktregulierung, waren die Erwartungen so gering, dass sie kaum enttäuscht werden konnten.
An den politischen Beschlüssen liegt es also nicht, wenn Merkels Hoffnung doch noch aufgeht, dass sie im Wahlkampf vom G20-Treffen profitiert; sondern an den massiven Krawallen am Rande des Gipfels. Die haben nicht nur die Bilder vom inhaltlichen, friedlichen Protest gegen die G20 und ihre Politik überstrahlt, zu dem sich am Samstag noch einmal 75.000 Menschen versammelten. Sie gaben der Kanzlerin auch eine einfache Gelegenheit, doch noch eine positive Botschaft vom Gipfel zu übermitteln.
Denn mit ihrem Dank an die Polizisten, die in Hamburg wirklich harte Tage erlebt haben, und der Ankündigung, jene Menschen finanziell zu entschädigen, deren Autos angezündet oder deren Läden geplündert wurden, dürfte Merkel viel Sympathiepunkte gesammelt haben – auch bei jenen, die sowohl den Gipfel als auch den Polizeieinsatz eigentlich kritisch sehen. Dieser „Erfolg“ der Kanzlerin, der die inhaltliche Leere überdeckt, geht allein auf des Konto des kriminellen Mobs, der am Rande des Gipfels wütete.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen