Kommentar von Alexander Diehl über Hamburgs Innensenator in Corona-Bedrängnis: Seuchenschutz und Stehvermögen
Der Bürgermeister sei nicht amüsiert: Das hatte die Deutsche Presseagentur gestern Nachmittag „aus Senatskreisen“ erfahren. Streng ermahnt habe der Sozialdemokrat Peter Tschentscher seinen Parteifreund, Hamburgs Innensenator Andy Grote: Der hatte am 10. Juni auf seine Wiederwahl angestoßen, in einer Bar in der Hafencity und mit etwa 30 Anwesenden. Ausgerechnet also derjenige, der darüber zu wachen hat, die Coronaregeln durchzusetzen, sollte sich nicht daran gehalten haben? Tschentscher zufolge die Art Fehler, wie sie „nur einmal passiert“.
Zunächst wollte Grote davon nicht recht etwas wissen: Nur ein „Stehempfang“ sei es gewesen, das war die erste Sprachregelung; markieren sollte sie wohl: Gesittet ging es zu, frei von Überschwang und gefährlichem Tröpfchenflug. Den CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator überzeugte das nicht: Der forderte Grote am Freitag auf, „für Klarheit zu sorgen“, und dessen Auftritt vor dem Innenausschuss.
Gegenüber dem Hamburger Abendblatt änderte der Senator die Formulierung: „Rückblickend wäre es besser gewesen, auf dieses Zusammentreffen zu verzichten.“ Und dem NDR sagte er: „Ich entschuldige mich dafür ausdrücklich.“ Am Abend wollte die SPD-Fraktion den Senator anhören, schon am Nachmittag signalisierte ihr Vorsitzender Dirk Kienscherf aber, die Kuh könnte vom Eis sein. Überhaupt bleibe „festzuhalten, dass Andy Grote als Innensenator in den letzten Jahren sehr gute Arbeit geleistet hat“. Auch die erwähnten Senatskreise ließen verlauten, an einen Rücktritt denke man nicht – anders als CDU und inzwischen auch die Linksfraktion.
Dass es um Grotes Rückhalt in der Partei nicht zum Besten stehe, hört man gelegentlich. Und bei aller Unruhe wäre ein neu zu besetzender Senatsposten in einer Hinsicht vielleicht sogar opportun gewesen: Die selbst gesetzte Frauenquote hat die SPD beim Senatspersonal deutlich verfehlt; der Bürgermeister versprach nachzusteuern. Dass aber eine Frau zuständig werden könnte für Hamburgs Sicherheit: So weit sind die Zeiten noch nicht. Gut möglich, dass das dem Salamisenator den Posten sichert.
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