Kommentar ukrainischer Rechtsstaat: Um eine Illusion ärmer

Die Verurteilung angeblich russischer Soldaten erinnert fatal an das Erbe, das für viele der ehemaligen Sowjetrepubliken charakteristisch ist.

Drei Richter verlesen das Urteil über die mutmaßlichen russischen Soldaten Alexander Alexandrow und Jewgenij Jerofejew (nicht im Bild) in Kiew, Ukraine, am 18. April 2016

Die Verurteilung? Nur eine Farce Foto: dpa

Wer glaubte, die Ukraine bewege sich langsam aber sicher auf den Weg zu einem Rechtsstaat, ist seit Montag um eine Illusion ärmer. Die Verurteilung der beiden mutmaßlichen russischen Soldaten Alexander Alexandrow und Jewgenij Jerofejew zu jeweils 14 Jahren Haft wegen Teilnahme an einem „Aggressionskrieg“ gegen die Ukraine sowie Durchführung eines „Terroanschlags“ ist eine Farce.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Russland seinerseits durch die Verurteilung der ukrainischen Pilotin Nadja Sawschenko, die mittlerweile in ihrer Heimat so etwas wie eine nationale Ikone ist, eine Steilvorlage geliefert hat. Und dass die Entscheidung des Kiewer Gerichts die Möglichkeit eröffnet, die hungerstreikende Sawtschenko per Gefangenenaustausch noch lebend nach Hause zurück zu holen.

Ein Gericht in Kiew hat zwei mutmaßliche russische Soldaten wegen Kampfhandlungen in der Ostukraine zu 14 Jahren Haft verurteilt. Die Jury fällte das Urteil gegen Alexander Alexandrow und Jewgeni Jerofejew am Montag wegen Teilnahme an einem "Aggressionskrieg" gegen die Ukraine sowie wegen einem "Terroranschlag". Das Urteil könnte einen Gefangenenaustausch mit der in Russland inhaftierten ukrainischen Kampfpilotin Nadja Sawtschenko ermöglichen.

Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko habe er sich am Dienstag bereits mit Putin auf die Freilassung von Nadeschda Sawtschenko geeinigt. Wie der Deal konkret aussieht, sagte der Präsident nicht.

Die beiden Männer waren im Mai vergangenen Jahres in der ostukrainischen Region Luhansk gefasst worden. Demnach waren sie dort in Gefechte zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen verwickelt. (afp/ap)

Nein, allein schon einige Ereignisse, die dem Schuldspruch voraus gingen, sollten zu denken geben. So fiel der Anwalt eines der beiden Beschuldigten einem Mordanschlag zum Opfer. Im Büro des Vorsitzenden Richters wurde Feuer gelegt. Im Prozess selbst konnte den Angeklagten ihre Schuld nicht eindeutig nachgewiesen werden.

Das alles erinnert fatal an das Erbe, das für die meisten der ehemaligen Sowjetrepubliken charakteristisch ist. Und genau da liegt das Problem. Niemand, der bei Verstand ist, würde allen Ernstes behaupten, dass in Russland die Justiz etwas anderes sei als ein willfähriger Erfüllungsgehilfe des Kreml. Die neuen Machthaber in der Ukraine hingegen sind mit einem gänzlich anderen Anspruch angetreten.

Bisher haben sie wenig auf der Habenseite vorzuweisen. Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die 2013 und 2014 während des Euro-Maidan wochenlang für demokratische Reformen auf die Straße gingen.

Ob sich unter dem neuen Regierungschef Wladimir Groisman etwas ändern wird, ist zweifelhaft. Um ihn ins Amt zu hieven, wurden einige unabhängige Abgeordnete gekauft. Ein vielversprechender Start sieht anders aus.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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