Kommentar über Polizeigewalt: Zu viel Korpsgeist
Die Zahlen zu Polizeigewalt sind erschreckend. Dennoch gibt es kaum unabhängige Ermittlungen gegen Schläger. Das liegt am Korpsgeist.
K napp 2.140 Anzeigen gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt, davon nur 33 Anklagen: Solche Zahlen zu Polizeigewalt, deren strafrechtlicher Ahndung und dem Missverhältnis zu Bürgern, denen der Vorwurf „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ gemacht wird, zusammenzutragen, bedeutet mühevolle Kleinarbeit. Ob die Zahlen nun punktgenau stimmen, ist weniger wichtig – in der Tendenz sind sie richtig.
Erstmals liegen sie für das Jahr 2014 also nun vor. Die Versuche, hier Transparenz herzustellen und zu einer gewissen „Waffengleichheit“ zu gelangen, reichen weiter zurück. Sie beginnen bereits in den späten 1970er Jahren und beginnen mit der Forderung von Bürgerrechtsgruppen wie „Humanistische Union“ und „Liga für Menschenrechte“ nach einer namentlichen Kennzeichnung der einzelnen Beamten (uniformierte Beamtinnen gab es damals nicht). In der Folge geriet die Kennzeichnungspflicht teilweise sogar zum Gegenstand von Koalitionsverhandlungen.
Herausgekommen ist dabei jahrzehntelang nicht allzu viel, zu groß war der Widerstand der Polizeigewerkschaften. Zwar ist auch hier unterdessen ein Wandel und neues Problemverständnis entstanden. Dennoch haben die heute bestehenden Beschwerdestellen und internen Ermittlungsdienststellen einen entscheidenden Geburtsfehler: Sie sind zu dicht an die Polizei selbst und die Staatsanwaltschaften angebunden. Ihnen fehlt die Unabhängigkeit, denn Korpsgeist und berufliche Verständnisnähe mag man bestreiten – aber sie bestehen.
Auch Erklärungsversuche, wonach durch personelle Unterbesetzung bei Polizisten die Frustrationsschwelle steigt, sind allenfalls in Einzelfällen richtig. Schläger gehören nicht in den Polizeidienst und müssen konsequent aussortiert werden. Und das möglichst bereits in der Ausbildung, ebenso wie bei der Bildung von Korpsgeist.
Und hier sind weiterhin noch dicke Bretter zu bohren.
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