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Kommentar über Hafenstraßen-RazziaGefährliche Eskalationsstrategie

Klarer Machtmissbrauch: Die Polizei verwandelte bei der Razzia in einem Wohnprojekt eine Bagatelle in ein Bürgerkriegs-Spektakel.

1986: AnwohnerInnen der Hafenstraße demonstrieren gegen den Abriss mehrerer Häuser. Bei dieser Eskalationsstrategie könnte es für die Polizei dort wieder ungemütlicher werden. Foto: dpa

Das hat es seit zwanzig Jahren am Hamburger Hafenrand nicht mehr gegeben: Ein martialisches Großaufgebot an Polizei fährt am Montagabend vor der Häuserzeile in der St. Pauli Hafenstraße vor und stürmt in die Gebäude. Ausnahmezustand. Damals ging es überwiegend um die Räumung von Wohnungen, sodass Gegenwehr von den Bewohnern und Unterstützern zu erwarten war. Und trotzdem hatten die eingesetzten Polizisten keine Maschinenpistolen im Anschlag.

Am Montagabend ging es dagegen um eine Bagatelle – einen Hausdurchsuchungsbeschluss, dem ein vager Verdacht gegenüber einer nicht bekannten Person in einer bekannten Wohnung zugrunde lag. Selbst wenn es tatsächlich um Strafverfolgung gegangen wäre, bestenfalls ein Grund, mal an die Wohnungstür zu klopfen und nachzuschauen, wer da wohnt und ob an dem Verdacht etwas daran sein könnte.

Dass die Polizei daraus ein Bürgerkiegs-Spektakel gemacht hat, ist nicht nur unverhältnismäßig, sondern ein klarer Machtmissbrauch. Denn es dürfte höchst unwahrscheinlich sein, dass der Ermittlungsrichter, der das Papier am 10. Mai diesen Jahres ausstellte, wusste, was für ein politisches Schauspiel mit seinem Stempel von der „Task Force Drogen“ inszeniert wird.

Es drängt sich daher zum einen die Vermutung auf, dass die „Task Force“ mit ihrem Spektakel ihre Existenzberechtigung unter Beweis stellen wollte. Denn ihr Versuch, mit Repression und rassistischen Kontrollen den Drogenhandel auf Hamburgs Straßen zu unterbinden, ist aufgrund der Realitäten zum Scheitern verurteilt.

Ein unverhältnismäßiges Spektakel und Machtmissbrauch der Polizei

Zu andern ging es dem Polizeiapparat offenbar darum, die linken „Sozialspinner“ in der Hafenstraße einzuschüchtern, die Flüchtlinge und Marihuana-Verkäufer vor ihren Häusern als Menschen und Nachbarn behandeln. Eine Eskalationsstrategie, die auch nach hinten los gehen kann, wie der spontane Protest noch am Abend gezeigt hat, sodass die Hafenstraße – wie früher – wieder zu einem unbequemen Pflaster für die Polizei werden könnte.

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12 Kommentare

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  • Bis vor 1 Jahr standen ja immer nur 2-3 Drogendealer oben an der Balduintreppe und Kreuzung. Nun sind es dort und unten die ganze Strecke bis zum Pudel immer gleich ein Dutzend, meist in Gruppen. Tag und Nacht. Sehr unangenehm. Fühlte sich an, als ob öffentlicher Raum privatisiert und bewacht wird. Erinnerte ja schon an den "Kotti" in der Failed Stadt Berlin. Längst überfällig, dass die Stadt mal signalisiert, dass sie auch noch da ist. Das als "Bürgerkrieg" zu bewerten, kann man wahrscheinlich nur, wenn nicht täglich dort durchlaufen muss und grundsätzlich staatliches Handeln ablehnt.

    • @AlexA:

      oh ja, es ist voll schrecklich einfach "nein danke" sagen zu müssen. lobenswert hingegen sind die rassistischen aktionen der hamburger polizei samt schwerbewaffnetem hausfriedensbruch.

      ich kann dir kaum glauben, dass du wirklich nachbar*in bist. wenn doch bist du wohl derbe isoliert mit deiner ... nunja, sagen wir mal: "meinung"..

      • @Zecke:

        Hallo Zecke! Nomen ist Omen, nehme ich an? Warum genau war der Einsatz "rassistisch"? Weil keine weißen Dealer verhaftet wurden, sondern nur schwarze?

        • @AlexA:

          "Hallo Zecke! Nomen ist Omen, nehme ich an?"

           

          Was dagegen? Du bist schon eher rechts der Mitte zu verorten, oder?

           

          Deshalb erkennst du auch keinen Rassismus, wenn er in seiner Offensichtlichkeit kaum noch zu überbieten ist.

        • @AlexA:

          Hm, Lesen hilft. "Rassistisch" werden die Kontrollen benannt, bei denen ausschliesslich Menschen dunkler Hautfarbe kontrolliert werden. Das führt dazu, dass in diesen Räumen alle diese Personen andauernden, und nicht gerade zimperlichen Kontrollen ausgesetzt sind, egal ob Dealer oder nicht. Die Stürmung des Hauses wird "bürgerkriegsähnlich" genannt. Maschinenpistolen im Anschlag ein Haus mit Dutzenden Robocops zu stürmen weil dort angeblich im April ein vermeintlicher Dealer Unterschlupf bekam, zeitgleich das offene Gartentor niederwalzen und denselben verwüsten, kann nur ein komplett schmerzbefreiter Patient als angemessen bezeichnen. Was haben wir denn bei Terroranschlägen zu erwarten? Tornados und Kampfpanzer?

          • @Pancho:

            Alles klar. Die rassistische Polizei ist das Problem. Nicht die Drogen. Nicht die Dealer. Ich habs endlich kapiert.

            • @AlexA:

              "Kapiert" klingt in dem Zusammenhang etwas euphemistisch. Es ist weder akzeptabel, dass man mit dunker Hautfarbe in bestimmten Räumen akzeptieren soll, dass man ( zumeist obendrein ruppig ) kontrolliert wird, noch ist es ( ruhig mal die Ausführungen des Bundes Deutscher Kriminalbeamten dazu lesen ) ein ernsthaft erfolg versprechender Versuch Drogen und Dealen einzugrenzen, in dem man die Straßendealer von A nach B treibt. Repression ändert bestenfalls den Preis, nicht aber das Angebot und die Nachfrage. Die meisten Dealer sind weiß, sitzen in ihren Appartements und können aus einem unbegrenzten Nachschub an potentiellen Straßenverkäufern schöpfen.

  • "ihre Existenzberechtigung unter Beweis stellen" halte ich für die falsche Schlußfolgerung, und die Ursache könnte eine falsch verstandene Grundsatzstruktur des Staates sein (jedes Staates).

     

    Nicht das WER gibt Auskunft über das WARUM, sondern das WIE in bezug zur Verhältnismäßigkeit. Und dort, wo diese Verhältnismäßigkeit nicht stimmt, ist nur selten der Einzelne gemeint, sondern dem Einzelnen wurde die Stellvertreterrolle für ALLE zugewiesen.

  • Der Autor hat vollkommen Recht - hätte ein Polizist mit dem Durchsuchungsbefehl geklingelt, man hätte ihn zweifelsfrei hereingebeten und ihm die entsprechenden Räume gezeigt und ihm einen Kaffee angeboten. Man hält sich ja schließlich immer an Gesetze!

    • 2G
      2284 (Profil gelöscht)
      @Nikolausi:

      Ja, wurde sogar angeboten, siehe der andere Artikel hier zu dem Thema (http://taz.de/Razzia-in-Hamburger-Hafenstrasse/!5319896/). Aber um gegen die "linken Spinner" zu pöbeln brauchste ja keine Belege, da reicht deine Meinung, ne?

  • Und was wird nun passieren?

     

    Irgendein Gericht wird irgendwann urteilen, dass dieser Einsatz rechtswidrig war. Und beim nächsten Mal passiert genau das selbe.

     

    Und da wundert sich die Polizei, dass man diese mit äußerstem Misstrauen und Verachtung begegnet. Wer selber andauernd strafbare Handlungen begeht und dafür nie sanktioniert wird, kann halt nicht von anderen die Einhaltung von Regeln fordern.

    • @Frank Fischer:

      Genau, und die SPD, die den seit langem den Senator stellt schaut zu und verteidigt diese Aktionen noch. Die HH Polizei bekommt laufend von den Gerichten "einen eingeschenkt" und seitens der Politik passiert nichts. Was sind das doch für armselige Grußonkel, äääh Innensenatoren.