Kommentar über Beschneidung: Schimäre des Säkularen
Diese Gesellschaft ist nicht so frei von Religion, wie es viele gerne hätten. Der Staat kann Einfluss darauf nehmen, wie Beschneidungen vorgenommen werden. Mehr ist nicht drin.
D ie Beschneidung aus religiösen Gründen verträgt sich schlecht mit einer säkularen Gesellschaft. Es handelt sich um einen Initiationsritus, bei dem kleine Kinder in eine Religionsgemeinschaft aufgenommen werden, von der sie nichts wissen und für die sie sich nie entschieden haben. Ähnliches gilt für die Taufe, allerdings ist diese nicht mit einem medizinischen Eingriff verbunden, der dazu noch schmerzhaft sein kann.
Ginge es darum, dass die Beschneidung medizinisch sinnvoll ist, wie manche behaupten, wäre die Diskussion eine andere. Doch es geht um religiöse Identität, genauer: um muslimische und jüdische Identität. Das macht es schwierig, denn wenn Muslime und Juden die Beschneidung als nicht verhandelbar ansehen, werden sie davon auch nicht ablassen – und wenn sie dafür zum nächsten Hinterhof-Beschneider gehen.
Vielleicht ist an der Zeit anzuerkennen, dass diese Gesellschaft nicht so säkular ist, wie es viele gerne hätten. Schließlich ist es ja auch nicht verboten, seine Kinder religiös zu indoktrinieren – das garantiert die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit.
Letztlich kann es nur noch um Schadensbegrenzung gehen: Der Staat kann Einfluss darauf nehmen, wie Beschneidungen vorgenommen werden und von wem. Mehr ist nicht drin. Eine Gesellschaft kann nur so säkular sein wie die Menschen, die in ihr leben.
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