Kommentar türkische Armee in Syrien: Signal aus dem Mausoleum
Die Türkei weigerte sich bislang, die Anti-IS-Koalition wirksam zu unterstützen. Mit dem Einmarsch in Syrien könnte sich das jetzt ändern.
M onatelang standen die türkischen Panzer an der Grenze zu Kobani, und ihre Besatzungen schauten tatenlos zu, wie die Terrormiliz des Islamischen Staates die kurdische Grenzstadt in Schutt und Asche legte. Jetzt, Wochen nachdem die Schlacht um Kobani nach dem Tod Hunderte, wenn nicht Tausender dank amerikanischer Luftunterstützung zugunsten der Kurden entschieden wurde, rollen plötzlich die Panzer. Allerdings nicht, um in die Kämpfe in Syrien einzugreifen, sondern um einige türkische Soldaten zu retten, die isoliert innerhalb Syriens ein türkisches Mausoleum bewacht haben.
Die Frage ist: Warum jetzt? Innenpolitisch war der Zeitpunkt günstig, um von einer erbitterten parlamentarischen Auseinandersetzung um ein neues Sicherheitsgesetz abzulenken, dass in derselben Nacht durchs Parlament gebracht wurde. Interessanter ist aber der außenpolitische Aspekt: Bislang gab es ein stillschweigendes Agreement zwischen der türkischen Regierung und dem sogenannten Islamischen Staat, sich, wenn nicht zu unterstützen, so doch zumindest gegenseitig nicht wehzutun.
Deshalb weigert sich die Türkei bislang auch, die Anti-IS-Koalition wirksam zu unterstützen. Das könnte sich jetzt ändern. Aus kurdischen Quellen ist zu hören, dass der türkische Militäreinsatz mit den politisch Verantwortlichen in Kobani abgesprochen war. Der neue Platz für das Mausoleum liegt ebenfalls auf kurdischem Gebiet.
Es könnte also sein, dass die türkische Regierung langsam auf die amerikanisch-kurdische Allianz zugeht. Da die Kurden zurzeit auf eine vom IS gehaltene Grenzstadt vorrücken, wird man bald wissen, ob die Erdogan-Regierung die IS-Milizen wirklich fallen lässt oder nicht. Den Menschen in der Region wäre es zu wünschen, denn das würde auch den kurdisch-türkischen Friedensprozess erleichtern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Die Linke im Bundestagswahlkampf
Kleine Partei, großer Anspruch
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?