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Kommentar gescheiterter Ukraine-GipfelKrieg als Ablenkung

Bernhard Clasen
Kommentar von Bernhard Clasen

Die Gründe für die Absage der Friedensgespräche werden wir wohl kaum erfahren. Es gibt starke Kräfte, die an einem Frieden nicht interessiert sind.

Frieden nicht in Sicht: Prorussische Aufständische bewachen eine Straße zum Flughafen von Donezk im Osten der Ukraine Bild: ap

F riedensgespräche sind in Zeiten eines Krieges bitter nötig. Es ist nicht ihre Aufgabe, festzustellen, wer im Recht ist. Es ist auch nicht ihre Aufgabe herauszufinden, wie man in eine kriegerische Situation gekommen ist. Einzig entscheidend ist die Frage, wie man aus dieser kriegerischen Auseinandersetzung wieder herauskommt.

Friedensgespräche müssen alle einbeziehen, die in den Konflikt verwickelt sind. Deswegen müssen die Separatisten mit am Verhandlungstisch sitzen. Wer Friedensgespräche abbricht, weil geschossen wird und Vereinbarungen nicht eingehalten werden, handelt wie ein Arzt, der einen Patienten nicht behandelt, weil dieser krank ist.

Die wirklichen Gründe der Absage der Friedensgespräche durch Deutschland, Frankreich und die Konfliktparteien Ukraine und Russland werden wir wohl kaum erfahren. Offensichtlich gibt es starke Kräfte, die an einem Frieden nicht interessiert sind. Es ist ja auch so praktisch einen Feind zu haben, dem man die ganze Schuld für das eigene Versagen in die Schuhe schieben kann.

Kiews Regierung kann die eigene Bevölkerung, die wütend ist über die jüngsten Sparmaßnahmen, die Kürzungen im Sozialbereich und den sinkenden Wert der ukrainischen Währung nur mit patriotischen Parolen davor abhalten, erneut auf die Straße zu gehen. So lange der russische Feind im eigenen Land ist, ist es nicht patriotisch, gegen die eigene Regierung auf die Straße zu gehen.

Und auch in den aufständischen Gebieten in der Ostukraine steht Frieden nicht an erster Stelle der Tagesordnung. Deren Führung kann die Bevölkerung nicht vor Hunger und Kälte schützen. Gleichzeitig geht sie gnadenlos gegen die vor, die nicht nur von Kiew, sondern auch von Moskau unabhängig sein wollen. Die Führung der Aufständischen ist so ein Nutznießer der aktuellen Eskalation. Solange geschossen wird, wird sie niemand aus dem Sattel holen.

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Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.
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7 Kommentare

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  • 6G
    6580 (Profil gelöscht)

    "Die wirklichen Gründe der Absage...", jetzt mal keine Krokodilstränen vergiessen, wir haben gerade 500 Mio Kreditgarantie für die Weiterführung des Krieges gegeben, da kann man auch erwarten, dass weiter gekämpft wird.

     

    Wer will, dass der Krieg endet, gibt Geld für den Wiederaufbau erst nach einem Friedensschluss und nicht vorher.

    • @6580 (Profil gelöscht):

      Um dann Neurussland aufzubauen. Jawoll!

  • Kann es sein , Herr Clasen ; dass Sie die Rolle der USA in dem bösen Spiel vergessen haben ? M e i n e steile These dazu :

    Obama hat absolut kein Interesse an einer endgültigen Beendigung des Konfliktes jetzt . Er setzt auf die Destabilisierung Russlands durch den Schock des Ölpreisverfalls und die Wirkungen der Sanktionen . Nur damit kann er dem von Anfang an angestrebten Ziel noch näher kommen bzw. es erreichen : Die Nato auf der Krim .

    Obama hat also seinen Leuten in Kiew signalisiert : Kein zurück ! Weiter wie bisher !

    • @APOKALYPTIKER:

      Genau! Der Amerikaner steckt mal wieder hinter allem. Schießt sich selber in den Bauch (Fracking-Industrie), um dem Russen zu schaden. Und das alles für die wertvolle Krim! Was gibts denn da bitte zu holen? Sekt?

  • Sehr richtig. Mal sehen, wie die Frühjahrsoffensive der Kiewer Truppen ausgeht.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Offensictlich hat Putin da ein Eigentor geschossen, denn solange er dort rumfuhrwerkt, muss er - zu Recht uebrigens - als boeser Bube herhalten.

      • @Gabriel Renoir:

        Das mit dem Eigentor wird sich zeigen. Wenn die ukrainische Armee im Frühjahr genau so glorreich kämpft wie bisher, ist es durchaus möglich, dass sich die Lage im Land dramatisch ändert. Und zwar nicht, weil russische Divisionen durch Kiew rollen, sondern weil die Menschen nicht einsehen, warum sie für Niederlagen einen niedrigeren Lebensstandard, als unter Janukowitsch in Kauf nehmen sollen. Da kann dann eine Regierung schon mal wackeln. Außerdem gibt es ja dann auch noch die Variante, dass die diversen Freikorps und Privatarmeen meutern.

         

        Aber das lässt sich alles nur schwer vorher sehen. Es ist Abwarten angesagt.