Kommentar doppelte Staatsbürgerschaft: Der zweite Pass ist gelebte Realität

Die Argumentation der Union zur doppelten Staatsbürgerschaft ist verlogen. Die Liberalen versuchen sich vom Koalitionspartner abzugrenzen.

Um diese beiden Pässe geht es bei der Doppelpass-Diskussion eher selten. Bild: dpa

Natürlich kann man es unter dem Stichwort Wahlkampf abtun, wenn FDP-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sich jetzt für die doppelte Staatsbürgerschaft starkmacht. Die FDP, die um den Wiedereinzug in den Bundestag im September bangen muss, setzt sich von ihrem Koalitionspartner, der Union, ab und schärft ihr liberales Profil. Rhetorisch zumindest.

Denn in den vergangenen drei Jahren hat die FDP herzlich wenig getan, um die Optionspflicht abzuschaffen. Also jene integrationspolitisch unsinnige Regelung, die dazu führt, dass sich Zigtausende hier geborene Jugendliche spätestens an ihrem 23. Geburtstag entscheiden müssen, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft abgeben oder die ihrer Vorfahren.

Eine Regelung, die die FDP nach Roland Kochs unseliger Unterschriftenkampagne gegen den Doppelpass mit ausgehandelt hat. Inhaltlich aber hat Leutheusser-Schnarrenberger natürlich voll und ganz recht – und es wäre wünschenswert, würde eine neue Bundesgierung diese Regelung endlich abschaffen.

Seit im Januar die Optionspflicht vollständig greift, zeigt sich, was alle Kritiker seit der Einführung befürchtet haben: Jugendliche, die hier geboren und aufgewachsen sind, verlieren ihren deutschen Pass, die Behörden beklagen den bürokratischen Aufwand. Und Migrantenorganisationen kritisieren, dass deutschtürkische Jugendliche, die vor allem betroffen sind, gänzlich anders behandelt werden als jene aus EU-Ländern. Letztere nämlich dürfen selbstverständlich die Staatsbürgerschaft der Eltern behalten, wenn sie Deutsche werden.

Wie kann es da wundern, wenn sich die Deutschtürken zurückgewiesen fühlen? Diese Ungleichbehandlung ist es auch, die die Argumentation der Union so verlogen macht. Denn CDU und CSU führen stets Loyalitätskonflikte als Argument gegen den Doppelpass an. Warum aber sollte für Deutschtürken ein Problem sein, was für Jugendliche mit spanischen oder polnischen Wurzeln problemlos zu meistern ist?

Schätzungen zufolge gibt es mehrere Millionen Doppelstaatler in Deutschland, die doppelte Staatsbürgerschaft ist gelebte Realität. Einer dieser Doppelstaatler, der Deutschbrite David McAllister, war bis vor wenigen Tagen CDU-Ministerpräsident in Niedersachsen. Gravierende Integrationsprobleme sind nicht bekannt.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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