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Kommentar dauerhafter ReformationstagLieber ein Tag der Befreiung

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Der Mehrheit der Religionslosen in Berlin wird viel zugemutet. Statt Luther braucht es neue, nichtreligiöse Feiertage.

Luther, Luther, überall Luther Foto: dpa

N ach dem einmalig bundesweit begangenen Reformationstag mehren sich die Stimmen derer, die diesen Feiertag auch in Berlin auf Dauer stellen wollen. Etwaige Politiker, die auf diesen Zug aufspringen, erhoffen sich dabei den ewigen Dank des dauerarbeitenden Wahlvolkes. Denn eines stimmt ja: Mit nur neun Feiertagen im Jahr ist Berlin im bundesdeutschen Vergleich das Schlusslicht. Die Brandenburger dürfen ganze drei Tage mehr die Füße auf den Couchtisch legen.

Und doch gibt es keinen vernünftigen Grund, ausgerechnet den Luther’schen Thesenanschlag von vor 500 Jahren als Begründung für einen neuen Feiertag herzunehmen. Selbst nach einem qualvoll langen Lutherjahr wird die Mehrheit der BerlinerInnen kaum etwas über den Inhalt der Thesen und ihre Bedeutung wissen – ganz einfach, weil es sie nichts angeht. Nur 15,9 Prozent der BerlinerInnen sind Mitglied der – in ihrem Gründungsmythos eng mit Luther verbundenen – evangelischen Kirche, und es werden immer weniger.

Vor allem die Überzahl der Konfessionslosen und Atheisten hat das Recht darauf, von Religion verschont zu werden. Schlimm genug, dass sie schon bislang fast ausschließlich zur christlichen Pfeife tanzen bzw. stillstehen dürfen. Als gäbe es keine anderen, integrativeren, unproblematischeren Gründe, nicht zu arbeiten. Verschont werden sollten wir alle von einem Reaktionär und Antisemiten, einem Heizer gegen Frauen, Behinderte und aufständische Bauern, wie Luther es war.

Das alles heißt nicht, dass ein paar mehr Tage, in denen der kapitalistische Normalbetrieb zur Ruhe kommt, nicht angebracht wären. Die kürzlich von Innenminister Thomas de Maizière angestoßene Diskussion über einen muslimischen Feiertag kann man führen; dieser sollte jedoch einen christlichen Tag ersetzen. Neue Feiertage brauchen neue, nichtreligiöse Gründe. Feiern wir lieber die Menschenrechte, unsere Umwelt oder den Tag der Befreiung.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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14 Kommentare

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  • Wo wurde der Tag das letzte mal privat gefeiert?

  • "Die Freiheit beginnt da,

    wo die Arbeit aufhört!"

    (K. Marx)

  • 8G
    82741 (Profil gelöscht)

    "Tag der Befreiung"

     

    Echt, einen alten DDR-Feiertag wieder aus der Klamottenkiste zaubern? Am besten dann mit Parade der NVA, Betriebskampfgruppen und reaktivierten KämpferInnen der Roten Armee.

  • Feiertage nur noch für Christen!

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Wer die Feiertage nicht will und keiner Religion angehört, sollte in Zukunft arbeiten müssen, auch am Sonntag, denn das ist auch ein "religiöser" Feiertag. Dann hört auch sicher das Genöle auf, wie schwer man es doch hat, wenn man aufgrund von irgendwas, wo man nicht selbst sein Ei drauf gelegt hat, tatsächlich freihat.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @849 (Profil gelöscht):

      ...umgekehrt wird ein sog. Schuh drauss.

      Wer Feiertage will, weil irgend eine Religion diese fordert, der soll auch für den Arbeitsausfall bezahlen.

      Wer nichts schafft, soll auch nichts verdienen.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @81331 (Profil gelöscht):

        Ja, wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Steht schon bei Paulus!

  • Ein atheistischer, nicht-religiöser Feiertag ist überfällig!

    Eine weitere Idee dafür: Ein Tag des Friedens entsprechend dem Tag der Arbeit?!

    Berlin ist übrigens nicht das einzige Schlusslicht: dazu gehört auf jeden Fall auch Bremen.

     

    Warum es kein evangelischer Feiertag sein sollte - ein weiteres Argument: Er wäre zu unsicher! - Denn es gab den Buß- und Bet-Tag als bundesweiten evangelischen Feiertag. Den hat die Kirche auf Wunsch der Unternehmer 1995 einfach fallen lassen. Volkswirtschaftlich war das Unsinn: Es hat vor keiner Wirtschaftskrise "gerettet", sondern nur den Unternehmern einen Extra-Profit verschafft.

     

    Deshalb sind Feiertage bei der evangelischen Kirche besonders schlecht aufgehoben.

    • @Rosmarin:

      Au ja. Wo kann man da jetzt schon mitfeiern?

  • Nächstenliebe verlangt neue Reformationen!

     

    Christen befolgen die Nächstenliebe als oberstes christliches Gebot. Sie wehren sich daher massiv dagegen, dass ihre Weltanschauung gegenüber den vielen anderen gleichberechtigten religiösen wie nichtreligiösen Weltanschauungen bevorzugt wird, z.B. im Grundgesetz gegen Gottesbezug, Religionsunterricht an öffentlichen Schulen oder Kirchensteuern, aber auch z.B. gegen die vielen staatlichen christlichen Feiertage.

    Und sie setzen sich auch vehement dafür ein, dass die vielen (zeitbedingt) menschenrechtswidrigen Stellen aus der Bibel gestrichen werden.

    Jedoch – gibt es solche betont nicht-egoistischen Christen überhaupt? Ich kenne leider keine.

  • Die Menschenrechte könnten wir ohne Luther gar nicht feiern. Es gäbe sie nämlich nicht.

     

    Es ist einfach nicht wahr, dass der Thesenanschlag Konfessionslose und Atheisten nichts angeht, nur weil sie sich nicht interessieren dafür. Luther mag (unter anderem) ein Antisemit und ein Bauernfeind gewesen sein, aber ohne ihn wären wir heute nicht, wo wir sind. Konfessionslose müssten sich vermutlich immer noch verstecken und Atheisten müssten um ihr Leben laufen, statt öffentlich das Maul aufzureißen.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Sie gäbe es ohne das Christentum nicht. Luther hat da ausnahmsweise mal nichts mit zu tun.

    • @mowgli:

      ichsachmaso: womöglich hat Gutenberg doch etwas mehr bewirkt als Luther.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @christine rölke-sommer:

        ...nö, Gutenberg ist schuld, dass dieser ganze religiöse Kram so weite Verbreitung fand.