Kommentar blutiges Fairphone: Zertifizierung als Alibi
Das Fairphone trägt das Siegel „konfliktfrei“. In der Mine im Kongo, die Rohstoffe für das Telefon fördert, wird aber auf die Bergleute geschossen.
D ie internationalen Regelwerke, wonach aus der Demokratischen Republik Kongo nur noch solche Mineralien auf den Weltmarkt sollen, deren Förderung keine Konfliktparteien finanziert, sind ein Alibiprodukt von geradezu magischer Qualität. Einzelne Verbraucher können sich dadurch, dass sie Produkte wie das Fairphone mit als „konfliktfrei“ zertifizierten Rohstoffen kaufen, vom Blutvergießen im Kongo freikaufen - zumindest in ihrer eigenen Fantasie.
Wenn allerdings in einer Mine im Kongo, die zu den Lieferstellen der Fairphone-Rohstoffe gehört, Bergleute und Polizisten sich Kämpfe mit Toten liefern, bleibt vom Label „konfliktfrei“ nicht viel übrig. Es hat zwar nichts mit den Milizenkriegen im Ostkongo zu tun, wenn ein Polizist in den Minen von Rubaya einen Bergbarbeiter tötet und die Bergleute dann zur Waffe greifen - außer in dem Sinne, dass die Bergleute von Rubaya eng mit einer der lokalen Milizen verbandelt sind.
Aber der Vorfall in Rubaya zeigt, dass die Anwesenheit staatlicher Sicherheitskräfte gerade im Kongo keineswegs Gewaltfreiheit bedeutet. Das Konfliktfrei-Zertifikat ändert von allein nichts an schlechten Lebensbedingungen, an staatlicher Willkür und an der Notwendigkeit für die Menschen, sich selbst gegen Übergriffe zur Wehr zu setzen. Diese Faktoren, und nicht der Mineralienhandel, liegen an der Wurzel von Kongos Kriegen und sind auch der Grund dafür, dass es im Ostkongo so viele Milizen gibt.
Sollte Rubaya jetzt seinen „konfliktfreien“ Status verlieren und vom Weltmarkt ausgeschlossen werden? Das wäre katastrophal. Eine Stadt mit 80.000 Einwohnern würde schlagartig ihre Existenzgrundlage verlieren. Die Menschen müssten sich ihr Geld wieder mit der Waffe verdienen statt mit der Spitzhacke. Frieden beruht auf Beteiligung der Menschen am Wohlstand, nicht auf ihrem Ausschluss.
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