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Kommentar blutiges FairphoneZertifizierung als Alibi

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Das Fairphone trägt das Siegel „konfliktfrei“. In der Mine im Kongo, die Rohstoffe für das Telefon fördert, wird aber auf die Bergleute geschossen.

Wichtiges Mineral, gefördert im Kongo: Kasseterit. Bild: Fairphone

D ie internationalen Regelwerke, wonach aus der Demokratischen Republik Kongo nur noch solche Mineralien auf den Weltmarkt sollen, deren Förderung keine Konfliktparteien finanziert, sind ein Alibiprodukt von geradezu magischer Qualität. Einzelne Verbraucher können sich dadurch, dass sie Produkte wie das Fairphone mit als „konfliktfrei“ zertifizierten Rohstoffen kaufen, vom Blutvergießen im Kongo freikaufen - zumindest in ihrer eigenen Fantasie.

Wenn allerdings in einer Mine im Kongo, die zu den Lieferstellen der Fairphone-Rohstoffe gehört, Bergleute und Polizisten sich Kämpfe mit Toten liefern, bleibt vom Label „konfliktfrei“ nicht viel übrig. Es hat zwar nichts mit den Milizenkriegen im Ostkongo zu tun, wenn ein Polizist in den Minen von Rubaya einen Bergbarbeiter tötet und die Bergleute dann zur Waffe greifen - außer in dem Sinne, dass die Bergleute von Rubaya eng mit einer der lokalen Milizen verbandelt sind.

Aber der Vorfall in Rubaya zeigt, dass die Anwesenheit staatlicher Sicherheitskräfte gerade im Kongo keineswegs Gewaltfreiheit bedeutet. Das Konfliktfrei-Zertifikat ändert von allein nichts an schlechten Lebensbedingungen, an staatlicher Willkür und an der Notwendigkeit für die Menschen, sich selbst gegen Übergriffe zur Wehr zu setzen. Diese Faktoren, und nicht der Mineralienhandel, liegen an der Wurzel von Kongos Kriegen und sind auch der Grund dafür, dass es im Ostkongo so viele Milizen gibt.

Sollte Rubaya jetzt seinen „konfliktfreien“ Status verlieren und vom Weltmarkt ausgeschlossen werden? Das wäre katastrophal. Eine Stadt mit 80.000 Einwohnern würde schlagartig ihre Existenzgrundlage verlieren. Die Menschen müssten sich ihr Geld wieder mit der Waffe verdienen statt mit der Spitzhacke. Frieden beruht auf Beteiligung der Menschen am Wohlstand, nicht auf ihrem Ausschluss.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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12 Kommentare

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  • Fairphone bezieht nach eigenen Angaben keine Rohstoffe aus Rubaya. Lediglich aus Süd-Kivu. Tragische Sache, jedoch schlecht recherchiert! Warum weist der Autor in zwei Artikeln so explizit auf eine (falsche?) Verbindung zu Fairphone hin jedoch nicht zu anderen Produkten die mit konfliktfreien Rohstoffen aus dem Kongo produziert werden? Mehr Details und Hintergrund sind hier angebracht!

    https://twitter.com/Fairphone/status/492990901233664000

    • @Bernd A:

      Ich glaube, dem Autor ging es hier nicht in erster Linie um das Fairphone oder andere Produkte mit dem entsprechenden Label, sondern eher um die Zustände in den betroffenen Bergbauregionen. Dort können solche Zertifizierungen nämlich nur dann etwas bewirken, wenn sich auch politisch sehr viel ändert. In dieser Hinsicht wäre mehr Druck auf die Regierung gefragt.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Das beste fairphone ist das fairzicht.

  • Ein kritischer Kommentar, prima!

     

    Aber, wer wird hier eigentlich und auf der Basis welcher Tatsachen kritisiert.

    Ok, die Zustände in den Minen. So weit so gut. Und dann?

    Nicht Fairphone für unzureichende oder falsche Information. Das wäre m.E. auch nicht anz zutreffend.

    Bleibt also die Kritik am dummen, naiven Verbraucher als eigentlichem Kern:

    "... die sich ... vom Blutvergießen im Kongo freikaufen - zumindest in ihrer eigenen Fantasie."

    Nun, als Käufer eines Fairphone: Ich bin weder blöd noch naiv. Die Informationen die ich habe sind aus meiner Sicht, bisher, glaubwürdig und realistisch. Fairphone unterstützt demnach bestimmte Projekte in den betreffenden Ländern und geht eben erade nicht(!) den Weg eines Boykotts. Falls es hierzu Informationen gäbe die dies wiederlegen, gerne nehme ich diese zur Kenntnis, je schneller desto besser!

    Und der Boykott ist ja nun ach fragwürdig, zumindest wenn ich den letzten Absatz richtig verstanden habe.

     

    Also: was denn nu?

  • Hier geht es wohl um den Vorfall, auf den sich der Kommentar bezieht. http://www.taz.de/Gewinnung-von-Coltan-im-Kongo/!143012/ Ein Feedback der eigenen Meldung sozusagen, kann mir aber vorstellen, dass dieser Vorfall für etliche als Vorwand dient, "konfliktfreie" Handys zu kritisieren.

    • @sema:

      bezieht sich auf den Kommentar von PHILA_DELPHIA

  • Guten Morgen! Erst einmal: Dank an Amie. Ich teile Ihre Meinung in vollem Umfang. Es geht mir selbst beim Kauf des Fairphones auch eher darum ein erstes Zeichen zu setzen.

     

    Dann aber zum Kommentar von Herrn Johnson: Veriwrrend finde ich, dass nicht angegeben wird, wann der Vorfall in besagter Mine stattgefunden hat (bevor Fairphone dort geordert hat, oder erst kürzlich? Konnte FP davon gewußt haben?).

     

    Ebensowenig, wird erwähnt ob es sich dabei um einen einzelnen Ausnahmefall, oder um beständige Übergriffe handelt.

     

    Für mich hört sich dieser Kommentar nach einer eilig verfaßte Meldung unter dem Motto "Komm, das beziehen wir auf das Fairphone" an.

     

    Der Gedanke, der hinter der Idee eines fairen Elektronikproduktes steht, wird leider auch nicht gewürdigt. Zur Not kann man behaupten, es sei ja auch nur ein Komentar und kein Artikel...

     

    Und am Ende tippt Herr Johnson wahrscheinlich auf einem ebenos wenig konfliktfreien Rechner wie ich, doch das wird mit keinem Wort erwähnt.

     

    Da kann ich mir nachher beim Bächer auch ein Springerprodukt kaufen ;-P

    • @phila_delphia:

      Gibt es denn schon "konfliktfreie" Rechner? Und die zweite Frage: Sollte jeder, der ein noch gut funktionierendes Handy besitzt, dieses jetzt wegschmeißen, um sich ein konfliktfreies zu kaufen? Das würde dem Gedanken wohl auch nicht so ganz entsprechen.

      • @sema:

        Hi! Leider gibt es noch keine konfliktfreien Rechner. Fände ich auch gut. In meinem Kommentar war der Hinweis allerdings (selbst)ironisch gemeint. Denn ich finde es komisch ausgerechnet die eine Firma, die zumindest versucht einen transparenten weg zu gehen, in so einem Kommentar abzustrafen, während alle hardware auf der man/wir selbst schreibt/en eben nicht konfliktfrei ist. Zur anderen Frage: Nein, ich würde auch nicht jedes Jahr ein neues Telefon kaufen. Grüße phila P.S.: Heute hat mich folgenden Nachricht erfreut: http://www.golem.de/news/fairphone-chinesische-fabrik-waehlt-arbeitervertretung-1407-108181.html

      • @sema:

        Rechner ist mir nicht bekannt, aber es gibt eine Maus: https://www.nager-it.de/maus

        Bitte auf keinen Fall ein neues Telefon kaufen nur weil da ein FairTrade Siegel drauf ist!!! Die "Jedes-Jahr-Ein-Neues-Telefon" Attitüde, die die Industrie versucht den Verbrauchern einzubläuen, ist ein Grundübel der Problematik. Das beste Zeichen, das man als Konsument setzen kann, ist, die Subventions-Knebelverträge der großen Provider zu gunsten von nicht subventionierenden Verträgen zu kündigen, sich ein eigenes Telefon selbst kaufen, und das zu benutzen bis es auseinander fällt. Mein heiß geliebtes N900 war so ein Fall. Das Fairphone hatte sich zeitlich einfach als Nachfolger angeboten.

  • Dass das Fairphone die sehr hoch gesteckten Ziele weit verfehlt hat ist lange bekannt und wurde vom Hersteller auch früh so kommuniziert und bedauert. Dennoch halte ich das Fairphone für sehr wichtig: Wie bei den Anfängen des ökologischen Landbaus und der FairTrade-Bewegung, haben sich sehr idealistische Menschen (Spinner?) tiefgreifende Gedanken um ein Problem gemacht und versucht ein entsprechendes Produkt zu vermarkten. Das sie in dieser Welt scheitern mussten ist aus vielen Aspekten selbstverständlich. Dennoch hat das Produkt Zeichen gesetzt:

    An alle beteiligten Märkte: Von den Minenbetreibern bis in die Marketingabteilungen von Apple, Samsung & Co.

    An die Kunden: Menschen die mein ungewöhnliches Telefon bestaunen und mich nach den Hintergründen fragen halten mich einerseits für bescheuert, dass ich so viel Geld dafür ausgegeben habe, andererseits haben sie sich in diesem Moment großteils erstmals mit dem Problem überhaupt auseinandergesetzt.

    An die Besitzer: Der Hersteller vertreibt die Ersatzteile zu sehr fairen Preisen. Das Telefon kam ohne vorinstallierte sog. Bloatware. Ich bin als Kunde Herr auf meinem Gerät und kann jeden beliebigen Code darauf installieren. Ohne Verlust der Garantie. Somit ist es sehr fair zu den Besitzern.

    Es ist der Anfang einer Bewegung, die im Lebensmittelbereich in EU-Biosiegel, Naturland, Tranfair & Co noch lange nicht beendet ist. Hier haben mittlerweile sogar die härtesten Kapitalisten Geld gerochen und müssen durch immer konsequentere Auditierung an die Grundregeln der Zertifikate erinnert werden. Trotz dieser Erfolge sind auch im Lebensmittelbereich diese Grundregeln noch lange nicht ausgereift und müs(t)en permanent weiterentwickelt werden. Bis dahin ist es bei fairer Elektronik noch ein sehr langer Weg, aber die ersten Schritte sind gemacht. Alleine das Kommentare wie Ihres in einem überregionalen Nachrichtenportal wie der taz veröffentlicht wird ist ein weiterer, sehr großer. Vielen Dank dafür.

    • @Amie:

      Letzten Endes geht es ja wohl auch darum, dass die "Zusammenschrauberinnen" in China unter vernünftigen Bedingungen arbeiten und halbwegs fair bezahlt werden. Und dieses Produktionsmodell kann nur erfolgreich werden, wenn die Nachfrage nach entsprechenden Produkten steigt.