Kommentar Zypern: Pleite – na und?
Wenn in Zypern nicht die Profiteure der Krise zahlen müssen, sollte Europa hart bleiben. Die Banken der Insel werden dann ihrem Schicksal überlassen.
N a, schau mal einer guck! Erst verkündete das zyprische Parlament einstimmig, das Spardiktat aus Brüssel niemals anzunehmen, dann unternahm der zyprische Finanzminister eine wenig erfolgreiche Bettelreise nach Moskau – und nun signalisiert Zypern ein Einlenken, zumindest teilweise.
Der Beitrag Zyperns, den die Troika aus der Eurogruppe, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Bedingung für Hilfen gemacht hat, soll nun zum Großteil durch Anleihen eines neu gebildeten Fonds aufgebracht werden; auch der Rückgriff auf Spareinlagen von Kontoinhabern zyprischer Banken ist offenbar nicht vom Tisch. Für Europa ist das ein Teilerfolg. Das Zocken aber geht erst richtig los.
Denn der Plan der Zyprer hat Ecken und Kanten. Um den Fonds zu speisen, sollen Rentenkassen, Kirchen und auch die zyprische Zentralbank mit ihren Goldreserven Geld bereitstellen; der Fonds soll wiederum Anleihen ausgeben. Streng genommen handelt es sich dabei also nicht um frisches Geld, sondern um weitere Schulden. Auch werden statt 5,8 Milliarden Euro Einnahmen nur 4,8 Milliarden Euro erwartet, nicht garantiert.
ist Redakteur im Ressort Ökologie und Wirtschaft der taz.
Demgegenüber würde die Zwangsabgabe auf Besitzer zyprischer Konten sofort Cash bringen. Die anderen Euroländer sollten diesen Faustpfand deshalb nicht vorschnell aus der Hand geben. Diese Abgabe mag Banker beunruhigen – ungerecht ist sie aber nicht, vor allem wenn es Freibeträge für Sparer bis 20.000 Euro geben sollte. Wer jahrelang von den hohen Zinsen auf Zypern profitiert hat, für den ist es zumutbar, auf ein paar Prozent seines Vermögens zu verzichten, um nicht am Ende viel mehr zu verlieren.
Brüssel sollte hart bleiben und auf einen Beitrag der Profiteure bestehen. Schließlich möchte Zypern seine Banken retten – Europa kann gut ohne sie leben.
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