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Kommentar ZypernDie Verantwortung Zyperns

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Sollte Zypern in die Pleite getrieben werden, trifft Europa ein großes Stück Schuld. Es gilt das Motto: Hauptsache, unsere Konten bleiben sicher!

F ast 6 Milliarden Euro verlangt Europa von Zypern, damit das Land gerettet wird. 6 Milliarden sollen rund 850.000 Menschen innerhalb weniger Tage zusammenbringen – das entspricht einem Drittel des Bruttoinlandsprodukts, oder, übertragen auf die Bundesrepublik Deutschland, der unvorstellbaren Summe von einer Billion.

Dieser Eigenanteil kann eine Volkswirtschaft, die doch eigentlich gerettet werden sollte, in den Ruin treiben. Es ist diese beispiellose Forderung, die Zypern vor kaum lösbare Probleme stellt. In keinem Fall zuvor haben die Eurofinanzminister einem Staat derartige Daumenschrauben angelegt.

Deshalb trifft Europa ein großes Stück Verantwortung und Schuld, sollte Zypern in die Pleite getrieben werden. Der Verdacht drängt sich auf, dass man bei einem kleinen Inselstaat, dessen Bedeutung für die Eurozone begrenzt ist, einfach einmal ausprobieren wollte, wie weit man gehen kann.

Passend dazu wurden für das Publikum die entsprechenden Schlagworte gefunden: Schwarzgeld! Russen! Oligarchen! Jachtbesitzer! So wurden die Zyprer als Freunde fieser Betrüger stigmatisiert, auf dass ja niemand auf die Idee kommen möge, diesen Leuten eine Träne nachzuweinen. Es gilt das Motto: Hauptsache, unsere Konten bleiben sicher!

Bild: taz
KLAUS HILLENBRAND

ist Ko-Leiter des Ressorts taz.eins.

Dies festzustellen bedeutet nicht, die Zyprer aus der Verantwortung zu entlassen. Deren Politiker gerieren sich als die verfolgte Unschuld. Europa erscheint im Pokerspiel von Nikosia als das Böse schlechthin, das ein ganzes Land ohne Not in die Knechtschaft schicken will. Und ausgerechnet die reaktionäre orthodoxe Kirche verkauft sich als Retter der Nation.

Bis heute müssen Politiker in Zypern ihre Einnahmen nicht offenlegen. Mit ziemlicher Sicherheit werden dort auch krumme Geschäfte gemacht. Die Vorstellung, man könnte den aufgeblähten Bankensektor einfach in die Zukunft hinüberkarren, verkennt die Gefahren, die von einem Land ausgehen, das niemals imstande sein wird, notfalls die eigene Finanzindustrie zu retten.

Was bisher über die Vorschläge aus Nikosia bekannt wurde, wird das Bild des fiesen Zyprers nicht korrigieren. Auch wenn die Forderungen der EU ungerecht sind – Zypern muss bei Strafe des Untergangs Pläne unterbreiten, die alte Schulden nicht nur mit neuen Krediten zu begleichen.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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6 Kommentare

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  • LR
    Laura R.

    Bildlich gesprochen wurden auf Zypern in den letzten Jahren so viele Banken errichtet, dass die Insel jetzt im Mittelmeer absäuft.

    Im Kleinen spielt sich hier ab, was sich im weltwirtschaftlichen Maßstab seit 2008 als Finanz-, Banken-, Wirtschafts-etc.-Krise vollzieht.

    Nur mal zur Verdeutlichung der Dimension der russischen Geldwäsche auf Zypern: In den letzten Jahr kamen die meisten Direktinvestitionen in Russland aus Zypern. Zypern hat von Beginn seiner Mitgliedschaft in der Währungsgemeinschaft auf einen möglichen Bail Out durch die anderen EU-Staaten gesetzt. Jetzt wird in der EU darum gefeilscht wessen Kapital vernichtet werden soll und in welchem Umfang diese "Entwicklungsstrategie" aufgeht und fortgesetzt werden kann.

  • I
    irmi

    werden nicht auch längst die Renten der Deutschen verpfändet wegen zu hoher Staatsverschuldung um den Euro zu halten, um die Länder in der Eurozone zu retten die entweder auf zu großem Fuß gelebt haben od. durch falsche Bilanzen in die Eurozone kommen konnten, oder wie jetzt mit Zypern wo hauptsächlich die Banken schuld am Bankrott sind ?

    Für unsere Rentner hat man kein Geld mehr, die müssen an der Armutsgrenze, viel zu viele unter der Armutsgrenze, viele leben bereits in Armut, und wer viel Glück hat steht an der Grenze von Armut gefährdet zu sein. Die Rentner scheinen kein Recht mehr zu haben nach einem arbeitsreichen Leben die noch bleibenden Jahre finanziell unabhängig vom Staat leben zu können.

     

    Deutschland spart sich selbst kaputt auf Kosten der Bürger die fleißig gearbeitet haben und Deutschland dahin brachte wo es heute steht. Keiner unserer Regierenden fragt die deutschen Bürger wie sie überleben müssen. Wir retten andere, pumpen Milliarden dorthin, verschulden uns darum immer mehr, nur wo bleibt das Volk Deutschlands ?

     

    Wir haben Zypern nicht in die Pleite getrieben sie haben einfach zu gierig gepokert siehe Artikel

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/zypern-krise-wie-sich-das-land-seinen-banken-ausgeliefert-hat-a-889845.html

  • T
    Tantris

    Wenn die Banken pleite gehen sind alle Einlagen weg.

    Da ist es für die "Kleinsparer" ab 100 000€ Einlage sicher günstiger,einen Teil zur Rettung der Banken herzugeben

  • MH
    Micha Heinel

    Sechs Milliarden Euro Eigenanteil sind in der Tat eine große Summe für das kleine Zypern - aber niemand verlangt, dass das Land seine Renten verpfändet, um die Guthaben reicher Anleger zu schonen. Diesen asozialen Vorschlag haben zyprische Politiker gemacht. Warum? Haben sie selbst hohe Vermögen auf ihren Bankkonten?

     

    Sechs Milliarden sind viel Geld. Aber wenn dieses Geld zusammenkommt, indem man teilweise auf die Einlagen der Banken zugreift, die gerettet werden sollen, dann ist das voll OK. Das ist nicht ungerecht. Ungerecht wäre, wenn die armen Bürger in den anderen Euro-Ländern mit ihren Steuergeldern dafür blechen müssen, dass die reichen Besitzer zyprischer Konten ungeschoren davon kommen - und die Party auf Zypern weitergehen kann.

  • FV
    Flores Vandess

    Als Zypern sich mehr und mehr zu einem Banken - Eldorado entwickelte, hoffte man, eines schönen Tages in der ersten Liga der Steuerparadiese in Europa (neben Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein und Monaco) antreten zu können. Obwohl wir durch den "Steuerflüchtling" Depardieu erfahren haben, daß die Steuern in Rußland lohnenswert gering sind, haben die Superreichen dieses Landes den Hals nicht vollbekommen, ganz im Sinne von: "Je mehr er hat, je mehr er will", Vermögen und Schwarzgeld am russischen Fiskus vorbei,in Zypern gebunkert. Aber die Politiker Zyperns erwarten nun vom russischen Staat, daß er das Geld seiner steuerhinterziehenden "Landsleute" rettet. Ganz schön schräg gedacht. Und nun macht sich nach dem klaren russischen "Nein" Plan- und Ratlosigkeit breit.

    Die zyprischen Politiker haben sicher ein ureigenes Interesse daran, ihre Tantiemen zu 100% wieder zurückzubekommen. Da fällt die Entscheidung schon schwer, aber eins wissen sie nun, in der Schweiz wäre ihr Geld besser aufgehoben gewesen.

    Nun heißt es erst einmal Rien ne va plus - nichts geht mehr!

  • M
    muh

    "Hauptsache, unsere Konten bleiben sicher!"

     

    Absolut richtig - für die ist unsere Regierung in unserem Staat schließlich verantwortlich, nicht für die zyprischen Konten. Wenn ein Staat seinen Bankensektor im Verhältnis zur Realwirtschaft unverhältnismäßig aufbläht (nicht, dass es bei uns anders wäre - nur nicht ganz so drastisch), bläht er damit auch das von diesem Sektor ausgehende Risiko unverhältnismäßig auf. Zypern sollte konsequent jede weitere Hilfe verweigert werden, der Staat aus dem Euro ausgeschlossen werden und geordnet in die Insolvenz gehen. Danach kann sich die EU dann mal der Vermeidung künftiger Krisen widmen, z.B. durch hohe Steuern auf hoch spekulative Anlagen, Verbot diverser Geschäftsmodelle die diese Krise überhaupt ermöglicht haben und eine klare Schuldenbegrenzung, verknüpft mit dem Verbot _jeder_ Hilfe für Pleitebanken - am besten verbunden mit einem starken staatlichen Bankensektor, der die Vergabe realwirtschaftlich notwendiger Kredite sicherstellt. Blasenproduzierende Privatbanken sind nicht Systemrelevant, der Staat und die Realwirtschaft sind es!