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Kommentar Wulffs IslamäußerungenWer ist das Volk?

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Im Kern geht es in der Integrationsdebatte um die Frage, ob man Muslimen und ihrer Religion in diesem Land auf Augenhöhe begegnet.

E r hat eigentlich nichts bahnbrechend Neues gesagt. Aber mit jedem Tag, an dem Christian Wulff für seine Worte zum Einheitsjubiläum kritisiert wird, gewinnt der Bundespräsident rückblickend an Größe und seine Rede an historischem Format.

Als Wolfgang Schäuble, damals noch Innenminister, vor vier Jahren die erste Islamkonferenz eröffnete, sagte auch er, der Islam sei "ein Teil Deutschlands geworden". Doch diesmal waren nicht nur Ort, Anlass und der Sprecher andere, auch die Reaktionen fielen frostiger aus. Die Bild-Zeitung stänkert gegen Wulff, auch FAZ und Zeit gehen auf Distanz zu seiner These: Der Boulevard und das konservative Bürgertum zeigen sich pikiert.

Unter Angela Merkel hat sich die Union von der Lebenslüge verabschiedet, Deutschland sei "kein Einwanderungsland". Dagegen setzte sie die Devise vom "Integrationsland", das seine Einwanderer "fordern und fördern" müsse. Mit dieser Entwicklung aber sind manche in Deutschland offenbar überfordert. Und auch an der CDU-Basis rumort es, seit Merkel das Buch von Sarrazin als "nicht hilfreich" bezeichnet hat. Im Kern geht es in dieser Debatte um die Frage, ob man Muslimen und ihrer Religion in diesem Land auf Augenhöhe begegnet. Oder ob man sie auf Abstand hält und ihnen die Integration praktisch verwehrt.

Bild: taz

Daniel Bax ist Redakteur im taz-Meinungsressort.

Zu den absurden Auswüchsen dieser Debatte gehört, dass sich deutsche Muslime heute auch seitens ostdeutscher Ex-Bürgerrechtler wie Monika Maron oder Joachim Gauck anhören müssen, sie hätten noch eine Bringschuld zu leisten, bevor man sie als gleichwertige Bürger anerkennen könne. Immerhin leben die meisten der Muslime, um die es dabei geht, schon viel länger in der Bundesrepublik als diese ehemaligen Bürger der DDR. Und, ja: Auch sie sind das Volk.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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13 Kommentare

 / 
  • R
    Rene

    "Nach zweihundert Jahren der Aufklärung muss es doch möglich sein, einer mittelalterlichen Religion und einem Herrn Wulff Einhalt zu gebieten, Herrr Baxxx!"

     

    Genau. Stoppt endlich den Katholizismus.

     

     

    "kollektivistische, ultra-totalitäre Submissionsideologie, die aus den Halluzinationen eines gewalttätigen Wüstenbewohners erwachsen ist, und unschwer erkennbar das exakte Gegenteil zum westlichen Selbstverständnis des autonomen, mündigen und aller göttlichen "Aufträge" enthobenen Individuums darstellt"

     

    Welch treffende Zusammenfassung des AT...

     

     

    [sarcasm]Ach wie gut, dass auf den Kommentarseiten der taz noch keine Beiträge auf BILD-Niveau zu finden sind. [/sarcasm]

  • K
    Kati

    Ganz offensichtlich gibt es in diesem Lande eine geheime Sprachregelungsbehörde für Politik und Medien.Alles andere unterliegt der Zensur.

  • MA
    Mounir Azzaoui

    Vielen Dank für diesen Kommentar!

    Meine Eltern kamen vor 40 Jahren aus Marokko nach Deutschland, ich bin in Deutschland geboren und fühle mich als deutscher Muslim, als Teil dieser Gesellschaft, mit der Verantwortung etwas zum Gemeinwohl beizutragen, aber auch mit denselben Rechten wie alle anderen Bürger in diesem Land.

  • A
    anke

    Ich glaube nicht, dass Monika Maron oder Joachim Gauck an Einwanderer gedacht haben, als sie in der Wendezeit "Wir sind das Volk" skandierten (bzw. skandieren ließen). Die DDR der 80-er Jahre war nach allgemeinem wie offiziellem Verständnis (auch der außerparlamentarischen Opposition) nämlich genauso wenig ein Einwanderungsland, wie die BRD eins war.

     

    Maron, Gauck und ihre Mitstreiter wollten lediglich an die Verfassung der DDR erinnern, in der unter anderem behauptet wurde: "Alle politische Macht in der Deutschen Demokratischen Republik wird von den Werktätigen in Stadt und Land ausgeübt" und "Alle Macht dient dem Wohl des Volkes". Nicht, dass die Vertragsarbeiter aus Asien und Afrika, die der sozialistischen Planwirtschaft als Hilfs- und Fachkräfte auf die Sprünge und zugleich ihren Heimatländern aus schlimmen materiellen und finanziellen Nöten helfen sollten, nicht wirklich (werk-)tätig gewesen wären in Stadt und Land. Im Gegenteil. Sie waren bloß keine DDR-Bürger, und wären, wäre es nach den weißen, schwarzen und gelben Machthabern gegangen, die (sozusagen unter Freunden) ihre Wiederausreise schon vor ihrer Einreise vertraglich geregelt hatten, auch nie welche geworden, weshalb ihr Wohl weder die DDR-Regierung noch den gemeinen DDR-Bürger etwas anging. Auch die DDR-Oppositionelle hat, soweit ich mich entsinne, keinen Anlass gesehen, sich um die bunten Leute zu scheren, die die Maschine nebenan bedient haben und nach Schichtschluss in separaten Heimen verschwunden sind, statt ihre konspirativen Treffen zu besuchen. An diese Teile des "Volkes" hat man sich erst lange nach jenen aufregenden Wendetagen erinnert, die Maron und Gauck ins Licht der Geschichte gespült hatten. Und zwar genau in dem Moment, als im Osten die Betriebe abgewickelt und die "Gast"-Arbeiter zu lästigen Konkurrenten wurden - die man per Brandanschlag an eine Rückkehr "nach Hause" erinnern wollte.

     

    Ich. Dann eine Weile nichts. An einigen Stellen sind sich Ost- und Westdeutsche doch ähnlicher, als sie mitunter glauben möchten. Auch das Ignorieren der Umstände, unter denen dieser oder jener Slogan geboren wurde, der gerade wieder passend scheint, hat Tradition. Dies- wie jenseits der ehemaligen Systemgrenze. Aber war es nicht auch ein Deutscher, Ferdinand Freiligrath nämlich, der schon im 19. Jahrhundert befunden hat:

     

    "Wir sind das Volk, die Menschheit wir,

    Sind ewig dumm, trotz alledem!"

  • Z
    zweifelhaft

    Religionen sind nicht archaisch, sondern ihre Interpretation. Es sei denn, man findet Religion/Glaube insgesamt archaisch, aber das ist ein anderes Thema.

     

    Die Frage ist aber berechtigt, warum Religion - konkret der Islam - eigentlich immer so thematisiert wird. 3,5 Millionen Muslime sind eine relevante Zahl, der man auch Rechnung tragen muss. Zur freien Religionsausübung gehört halt auch, dass man repräsentative Gebäude haben darf. Schicke Synagogen und buddhistische Tempel kenne ich, trotz der geringen Zahl der Gläubigen.

    Andererseits: Bei den Muslimen verhält es sich auch nicht sonderlich anders als bei Christen. Ein guter Teil ist nicht allzu religiös, viele, gerade Jugendliche, quasi überhaupt nicht - auch wenn das im Allgemeinen gar nicht zur Kenntnis genommen wird.

     

    Jedenfalls sollte man endlich mal akzeptieren, dass Deutschland die Heimat dieser Menschen ist, sie hierhin gehören und genau die gleichen Rechte haben wie alle anderen. Religion - jedenfalls in Form der großen Kulte - finde ich persönlich eher albern, aber wer denn unbedingt will ... da mache ich dann aber auch keine Unterschiede.

  • G
    GastrechtS

    Wulff hat namentlich nicht die Zuwanderer aus islamischem Kulturkreis als Personen adressiert, und offenbar keinen Begriff davon, dass es mentale Voraussetzungen geben könne, die moderne westliche Gesellschaften von Ihren Mitgliedern einzufordern hätten.

    Vielmehr hat er ausdrücklich das mitimportierte geistige Konstrukt Islam geadelt.

     

    Wenn nun also diese kollektivistische, ultra-totalitäre Submissionsideologie, die aus den Halluzinationen eines gewalttätigen Wüstenbewohners erwachsen ist, und unschwer erkennbar das exakte Gegenteil zum westlichen Selbstverständnis des autonomen, mündigen und aller göttlichen "Aufträge" enthobenen Individuums darstellt, plötzlich "dazugehört", die einzige Forderung in der "Einhaltung der Gesetze" besteht, heißt das, den "Rest", jedwede geistig-kulturelle Eigenart des Westens, zur Disposition zu stellen: zum Testfall von Selbsterhaltungs- und Durchsetzungswille, zur Verhandlungsmasse demografischer Planspiele.

     

    Oder anders ausgedrückt: die demokratisch-liberale Gesellschaftsform, vermeintlich höchste Entwicklungsstufe der westlichen Zivilisation, erwiese sich durch ihre Beliebigkeit und daraus resultierende Unfähigkeit, den eigenen Markenkern zu identifizieren und mit allen Mitteln (!) unhintergehbar zu machen, als trojanisches Pferd zur Abschaffung des Westens selbst.

  • A
    AndyG

    Ja, wir sind ein Einwanderungsland. Sogar eines der "besten" der Welt. Hier wird weder Qualifikation, Sprachkenntnis oder Integrationsbereitschaft erwartet und alle sozialen Folgekosten einfach auf den Schuldenberg zugerechnet.

  • H
    Hartmut

    Eine Ungeheuerlichkeit, so ein dummer Kommentar - Deutschland verblödet - auch erkennbar bei seinen Journalisten.

     

    Die Bürger der ehemaligen DDR sind Deutsche, auch wenn das Territorium durch die Sowjets besetzt gehalten wurde. DDR - Bürger sind also genausolang Deutsche wie die Bundesbürger Deutsche sind - mit den den im wesentlichen gleichen kulturellen Wurzeln.

     

    Leider begann der Verblödungsprozess der Bürger der seitens der Amerikaner besetzten Westgebiete erheblich früher - und so haben wir solche Journalisten wie diesen hier zu ertragen.

  • HR
    Hans Reimann

    "...schon viel länger in der Bundesrepublik als diese ehemaligen Bürger der DDR."

     

    Der Türke lebt schon länger in der BRD als der Ossi, deswegen dürfend die Ossis nichts Dummes und Verletzendes über die Türken sagen?

    Ekelhaft, Sie Kleingeist!

    Lesen Sie doch bitte den heutigen Artikel "Deutsche sind keinem strukturellen Rassismus ausgesetzt -

    Unter Kartoffeln" von ihren Kollegen Yasemin Shooman & Evelin Lubig-Fohsel. Da können sie lernen, wie die Beiden ein für Deutsche schwieriges Thema analysieren ohne andere Menschen noch tiefer herabzuwürdigen. Herr Wulff ist wahrscheinlich ein sehr farbloser Präsident. Wundert nicht, dass er für Sie, Herr Bax, leuchtet wie ein heller Stern ;-)

  • V
    vic

    Wohl wahr. Hier stänkern Leute mit, deren Aufenthalt in der BRD weitaus kürzer ausfällt als jener, über die man hier noch immer spricht als wären sie Fremde.

    Diese Menschen gehören zu Deutschland - und damit auch ihr Glaube.

    Mir kann jede Religion gestohlen bleiben.

    Hier gilt jedoch gleiches Recht für alle, wenn ich dran erinnern darf.

  • E
    Elsche

    Gauck und Maron leben zwar erst seit 20 Jahren in der Bundesrepublik, aber seit ihrer Geburt in Deutschland!

    Die Muslime gehören nicht zum deutschen Volk, denn abgesehen von ein paar Konvertiten sind es Türken, Araber, Pakistanis...

  • W
    willy

    Augenhöhe in diesem Land heisst, die Religionen betreffend, dass sie sich gefälligst in die Gotteshäuser und ins Private zurück zu ziehen haben.

    Nach zweihundert Jahren der Aufklärung muss es doch möglich sein, einer mittelalterlichen Religion und einem Herrn Wulff Einhalt zu gebieten, Herrr Baxxx!

  • W
    Widersprecher

    Es ist aber schon seltsam, wenn diejenigen, die immer die Freiheit auf ihre Fahnen geschrieben hatten, plötzlich ihre Liebe zu einer äußerst archaischen Religion entdecken. Was soll eigentlich die Gleichung Einwanderer=Moslem? Wenn Wulff von Leuten verschiedenen Glaubens gesprochen hätte, die nun hier leben, wäre es ja in Ordnung gewesen, aber warum dieser Kotau vor dem Islam? Warum nicht Buddhismus, Atheismus, Hinduismus? Einwanderer sollen ihre staatsbürgerlichen Pflichten erfüllen, wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben. Was sie privat glauben, ist ihre Sache. Und die lächerlichen 40 Jahre, die Moslems hier leben, gewichtet Wulff genauso wie 1000 und mehr Jahre Abendland. Eine intellektuelle Glanzleistung.