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Kommentar WhatsApp-UrteilRichter mit Mission, Thema egal

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Ein Bad Hersfelder Richter urteilt über mangelnden Datenschutz, obwohl es um Kindschaftsrecht geht. Nur die Mütter bekommen Auflagen.

Wer WhatsApp Zugriff auf seine Kontakte gibt, ohne sie vorher zu fragen, begeht eine Rechtsverletzung – sagt das Amtsgericht Bad Hersfeld Foto: dpa

D amit hatte die Mutter nicht gerechnet. Eigentlich wollte sie sich beim Amtsgericht Bad Hersfeld beschweren, dass ihr Ex-Mann den gemeinsamen zehnjährigen Sohn beim Umgang am Wochenende nicht genügend betreue. Doch dann kam in der Verhandlung im März die Rede auf das Smartphone des Kindes und dann war der Richter in seinem Element.

Denn offensichtlich ist er ein Experte für die Datenschutzprobleme bei WhatsApp. Er erklärte also der Mutter, dass bei WhatsApp regelmäßig Datensätze der auf dem Smartphone gespeicherten Kontakte an einen Server in Kalifornien gesandt werden und dass dies ein „deliktisches“ Verhalten des Kindes sei, wenn nicht die Zustimmung all dieser Kontakte vorliege.

Die Mutter versuchte sich noch zu verteidigen, dass das ja nicht so schlimm sein könne, schließlich hätten ja soviele Leute „WhatsApp“ auf ihren Handys. Damit hatte sie sich aber endgültig disqualifiziert. Der Datenschutzexperte und Familienrichter erließ nun Anordnungen zur Abwehr von Gefahren für das Kindeswohl.

Die Mutter müsse alsbald Einverständniserklärungen aller WhatsApp-Kontakte ihres Sohnes einholen oder dafür sorgen, dass die Kontakte vom Smartphone entfernt werden. Außerdem müsse sie sich medienpädagogisch fortbilden. Dazu müsse sie auf der Webseite „Klicksafe“ monatlich mindestens drei Texte lesen und dies dem Gericht nachweisen. Klicksafe ist eine EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz.

Das Vorgehen des Richters ist kein Einzelfall. Zwei Monate später, im Mai, kam ein geschiedener Vater zu ihm und wollte den Wochenend-Umgang mit seinem elfjährigen Sohn verlässlicher geregelt haben. Doch schnell kam wieder die Rede auf das Smartphone des Kindes und wieder zeigte sich, dass Eltern die datenschutz-rechtlichen Gefahren von Whatsapp völlig unterschätzen. Erneut verpflichtete der Bad Hersfelder Richter die Mutter (nicht den Vater) drei Texte monatlich auf Klicksafe zu lesen und so weiter.

Nun ist das Amtsgericht Bad Hersfeld nicht für ganz Deutschland zuständig, sondern nur für rund 110.000 Einwohner von Nantershausen im Norden bis Schenklengsfeld im Süden. Aber der gewiefte Medienanwalt Christian Solmecke hat das Urteil mit einer Pressemitteilung bundesweit bekannt gemacht und die Frage aufgeworfen „Droht eine neue Abmahnwelle für WhatsApp-Nutzer?“ Muss nun jeder befürchten, von Freunden und Bekannten wegen „deliktischer“ Nutzung von WhatsApp abgemahnt zu werden. Doch das sei eine eher „theoretische“ Gefahr, beruhigt der Anwalt.

Viel größer ist offensichtlich die Gefahr, wenn man sich mit Umgangsproblemen an das Amtsgericht Bad Hersfeld wendet. Bald geht es dann nicht mehr um das Kind und die Konflikte der Eltern, sondern nur noch um den Datenschutz bei der WhatsApp-Nutzung. Und am Ende muss zumindest die Mutter drei Artikel monatlich auf „Klicksafe“ lesen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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6 Kommentare

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  • Das ist ein interessantes Urteil. Offenbar ist der "Richter" kein Jurist oder hat wie Guttenberg seine "Ausbildung" in Bayern genossen.

    Wäre er ein sorgfältiger Jurist, hätte er gesehen, dass die Nutzungsbedingungen von WhatsApp ein Mindestalter von 13 Jahren verlagne. Einen 11-jährigen zum Brechen der Nutzungsbedigungen deatlliert nazuleiten,. ist eigenrtlich für einen Beamten ind er Justiz untragbar. Der Mann sollte entfernt werden, bevor der noch mehr Minderjährige, nicht geschäftsfähige, Kinder dazu anleitet, Nutzungsbedingungen mit Vorsatz zu verletzen. Am Rande: Weiss jemand, ob der Richter für zurechnungsfähig gehalten wird?

  • "...Und am Ende muss zumindest die Mutter drei Artikel monatlich auf „Klicksafe“ lesen."

     

    Nach Einverleibung der Entscheidung -;)) http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:7876045

     

    Bleibt der Verdacht - richterliches productplacement für -

    Bad Hersfelder Festspiele 2017: Erleben Sie TITANIC, MARTIN LUTHER - DER ANSCHLAG, HEXENJAGD,

    MY FAIR LADY, DAS TAPFERE SCHNEIDERLEIN . http://www.bad-hersfelder-festspiele.de/

    kurz - Mengenlehre - Wieviele Apps mit wieviel Klappen?

    Es ist halt ein Kreuz. Newahr.

    Alles drin - gell!

  • Da würde ich mal konstatieren: Lieber Richter, Thema verfehlt!

     

    Ausserdem sollte er sich mal einem Update unterziehen: für die Erziehung des Kindes/der Kinder, sind, falls vorhanden, längst beide(!) Elternteile zuständig.

     

    Man sollte ihn abmahnen, er könnte sich einen bösen Virus einfangen... .

  • // Muss nun jeder befürchten, von Freunden und Bekannten wegen „deliktischer“ Nutzung von WhatsApp abgemahnt zu werden. //

     

    Nun, ich möchte sicherlich niemanden abmahnen. Aber es ist schon sehr unbefriedigend, dass man selber sich zwar von Produkten wie WhatsApp fernhält, aber die eigenen Daten dank weniger zurückhaltender Zeitgenossen früher oder später bei all den Social Media landen.

  • Hauptsache Mutteropfer-Kommentar, Thema egal. Promovierter Jurist sollte wenigstens mal das Urteil lesen, Herr Rath

     

    Fakten: Mutter hat Aufenthaltsbestimmungsrecht, Vater bekommt Kind nur jedes 2 WE.

    Mutter hat Kind mit Smartphone ausgestattet. Vater beschwert sich über Unkenntnis des Kindes. Gericht gibt ihm Recht.

    Wo ist das Problem???

     

    "Sofern eine Nutzung durch jüngere Kinder - wie im vorliegenden Fall - erfolgt, ist daher aus familiengerichtlicher Sicht unbedingt eine elterliche Aufsicht mit fortlaufender altersgerechter Medienaufklärung, jederzeit offenen Gesprächsangeboten sowie eben auch gelegentlicher inhaltlicher Kontrolle der Smart-Geräte durch die Eltern erforderlich.

     

    Dies alles setzt zugleich auch eine qualifizierte eigene Kenntnis der Eltern in Bezug auf die digitale Medien-Welt voraus, in welcher ihr Kind sich mit ihrer Erlaubnis entsprechend bewegen darf und soll."

     

    http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:7876045