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Kommentar WeltklimaberichtViel Sonne brennt das Hirn weg

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Daten und Modelle zeigen, dass der Klimawandel immer bedrohlicher wird. Alle bekunden ihre Besorgnis, aber getan wird wenig.

Trockenheit in Folge des Klimawandels: hier auf einer Farm in China. Bild: reuters

D ie schlechte Nachricht zuerst: Im neuen Weltklimabericht, der heute präsentiert wird, wird nur im Detail Neues stehen. Alle Daten und Modelle zeigen, dass der Klimawandel voranschreitet. Spezialdebatten über das Ausbleibend der Erwärmung oder Attacken auf den Weltklimarat IPCC können nicht verdecken, dass das Freiluftexperiment mit unserem Planeten, genannt Klimawandel, immer bedrohlicher wird.

Die nächste schlechte Nachricht: Passieren wird kaum etwas. Zwar werden Regierungen und Umweltgruppen ihre Besorgnis bekunden. Aber bereits bei den UN-Klimaverhandlungen in Warschau im November wird der IPCC-Bericht nur noch geduldiges Papier sein.

Es ist absurd: Kaum ein anderes Thema ist für uns so wichtig, so gut erforscht und so rentabel wie der Klimaschutz. Und trotzdem hat er inzwischen den gleichen Status wie der Wunsch nach einer atomwaffenfreien Welt: Wäre echt toll. Steht aber gerade nicht an.

Weltklimabericht

Der Weltklimarat IPCC warnt in seinem neuen Sachstandsbericht vor einem um gut ein Drittel höheren Anstieg der Meeresspiegel als bislang prognostiziert. Die Meeresspiegel drohten bis zum Jahr 2100 je nach Szenario um 26 bis 82 Zentimeter zu steigen, heißt es in der Zusammenfassung des ersten Teils des Berichts, die am Freitag in Stockholm verabschiedet wurde. In seinem vierten Sachstandsbericht von 2007 hatte der IPCC noch Anstiege zwischen von 18 bis 59 Zentimetern vorhergesagt.

Das hat viele Gründe. Der Klimawandel hatte seinen Erregungshöhepunkt vor ein paar Jahren – mit Hollywood-Prominenz, Friedensnobelpreis und allem Drumherum. Dann ist immer irgendwo Wirtschafts- oder Eurokrise und deshalb gerade keine Zeit. Dass wir nichts tun, liegt aber vor allem daran, dass wir seit Jahrzehnten in der Klimapolitik eine Weltgemeinschaft beschwören, die es so nicht gibt: WIR müssten handeln, weil es für UNS das Beste ist. Das stimmt zwar, ist aber völlig unrealistisch.

Im Zweifel handelt jedes Land und jeder Mensch für sich selbst. Oder auch nicht. Denn, das ist vielleicht das größte Hindernis, wirklicher Klimaschutz geht mitten ins Herz unserer Gesellschaft und Wirtschaft: Wer der künstlich billigen fossilen Energie ein Ende bereiten will, bekommt es mit gewaltigen Widerständen aus Industrie, Politik und Bevölkerung zu tun.

Dagegen hilft eine wolkige „Weltgemeinschaft“ überhaupt nicht. Die schaut ja auch im Fall Syrien betreten zur Seite. Vielleicht brächte eine große Ökokatastrophe den Umschwung, vielleicht ein Durchbruch der Technik, sicherlich mehr Markt, wenn Kohlenstoff endlich einen globalen Preis bekäme. Aber wer soll so etwas durchsetzen? Eine UN-Diplomatie, die sich seit 15 Jahren bis zur Erschöpfung über die Tagesordnung von Klimakonferenzen streitet?

Weil das WIR versagt, muss das ICH ran. Klimaschutz geht nur konkret. Beim Kampf gegen die Entwaldung in Indonesien, gegen mehr Kohle in China und gegen Fracking in den USA. In Deutschland heißt das: Die Energiewende richtig und schnell umsetzen – und sich nicht einreden lassen, das bringe nichts und sei zu teuer. Denn jedes Zehntelgrad vermiedener Erwärmung ist den Kampf wert. Das ist die nicht ganz so schlechte Nachricht.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • An eine Weltgemeinschaft zu appellieren, die es noch nicht gibt, ist in der Tat nutzlos. Aber noch "quätscher" ist es, die Verantwortung einem von diesem Mangel stark mitbestimmten ICH überantworten zu wollen. Das ist ja gerade WEGEN dem Fehlen (s)einer weltgemeinschaftlichen Existenz unfähig, das globale Miteinander zur ökologischen Vernunft zu bringen.

     

    Statt auf Katastrophen zu hoffen(oh Weh!) sollten wir dem ICHs lieber empfehlen, an den SCHAFFUNG eines globalen Füreinanders mitzuwirken, das auf Basis eines - am Ende weltgemeinschaftlichen - Nachhaltigkeitsmanagement funktioniert.

     

    Ansätze dazu sind u.a. die Bestrebungen in Richtung Post 2015 UN-Entwicklungsziele. Hilfreich für die Entwicklung von Gedanken in diese Richtung ist z.B. Kate Raworths Doughnut Economics. http://www.kateraworth.com/doughnut/

  • Sind weitere Kommentare erlaubt oder ist hier jetzt Feierabend?

  • N
    Nils

    Die menschengemachte Klimaerwärmung wird nicht mehr aufgehalten werden können, weil die Massen nicht von ihren Gewohnheiten und ihrem Lebensstandard ablassen können und wollen. Das zeigt sich auch daran, dass es z.B. die Grünen nicht schaffen, eine signifikante Masse aus der Mitte der Gesellschaft langfristig für das Thema Umwelt und die daraus resultierenden Konsequenzen hinter sich zu bringen, und das selbst in Deutschland, wo die Menschen zumindest ein relativ ausgeprägtes Bewusstsein bezüglich ökologischen Fragen haben. Wenn es Konsequenzen, Kosten und Mühen bedeutet, wandert die Mitte doch wieder zu Merkel und ihrer industriehörigen Partei.

     

    Ich hatte lange gehofft, dass etwas passieren würde hinsichtlich der Beschränkung der menschengemachten Klimaerwärmung, aber inzwischen habe ich mich von dem Gedanken verabschiedet. Wir werden also in Zukunft das Abschmelzen der Polkappen und Gletscher erleben, das dauerhafte Auftauen des Permafrostbodens in nördlichen Regionen, das Wegsterben vieler Tierarten, viele Tote mehr durch "Supersommer" und heftigere Winter, häufigere und stärkere Wirbelstürme und das vermehrte massenhafte Absaufen von Menschen in küstennahen Drittweltländern usw. usf.

     

    Schade eigentlich.

  • GS
    Günter Scholmanns

    Wieso nimmt Pötter es sich heraus, in diesem speziellen Fachartikel gegen Syrien zu raunen? -Nicht ganz dicht- oder? Da lese ich für meinen Teil lieber seriösere wissenschaftliche Berichte.

  • K
    Kaboom

    Der Autor hat den entscheidenden Faktor für die Tatenlosigkeit nicht genannt: Jene Firmen (primär aus der Stahl- Kohle- und Erdöl-Industrie), die mit einem Aufwand von Milliarden Dollar in jedem Jahr die Desinformationskampagnen der sogenannten Klimaskeptiker erst möglich machen.

  • M
    mackenzen

    WAS soll denn bitte getan werden?! ein 'fair-produziertes' bio gruenes smart-phone konsumieren vielleicht?!

  • A
    amigo

    Irgend ein Regulativ wird die Evolution schon für die explosionsartige Ausbreitung der Menschheit bereit halten. Wir wären nur eine - von Millionen Spezies - die bereits vom Planeten verschwunden sind, weil sie es nicht geschafft haben, sich an neue Lebensbedingungen anzupassen. Hierbei ist es völlig unerheblich, ob Veränderungen durch Menschenhand oder ohne deren Zutun eintreten.

    Aber vielleicht hilft uns ja doch noch der liebe Gott und widerlegt Darwins Thesen...

  • U
    Utopista

    Super Bericht!

     

    SYSTEM CHANGE NOT CLIMAT CHANGE!!!

  • M
    Mensch Ärgeredichnicht

    Ich zum Beispiel beuge dem Klimawandel vor, in dem ich die gedruckte Ausgabe der taz nicht kaufe und nur gelegentlich online vorbeischaue und mich dann darüber wundere, dass überhaupt noch jemand die UN oder das IPCC ernst nimmt. Aber was soll man von jemand erwarten, der den Al Gore als authentischen Kandidaten nennt, der, um uns alle zu warnen, im Privatjet durch die Gegend fliegt und ein Haus hat, dass so groß ist, dass es wahrscheinlich mehr Strom als manche deutsche Kleinstadt verbraucht.

  • W
    Werner

    "...aber getan wird wenig" - das ist so nicht ganz richtig. Es wird schon einiges getan, im Namen des Klimawandels. Z.B. werden viele Wasserkraftwerke gebaut, die schlimme Folgen haben werden für Menschen und Umwelt. Z.B. werden Häuser in D in Styropor eingepackt, ohne eine Vorstellung von der Entsorgung dieses Sondermülls zu haben und davon, was die ganzen Biozide in der Farbe mit dem Grundwasser machen. Solche Beispiele gibt es viele.

    Was ich sagen will: Solange wir "etwas tun" nur technisch sehen und (wie die Grünen) glauben, dass es ein ökologisches Wachstum geben kann, ist "nichts tun" manchmal sogar die bessere Option.

  • K
    Kariba

    Danke, liene TAZ, dass ihr die Öffentlichkeit nun darauf hinweisen wollt...nachdem ihr beim Wahlkampf so schön die Werbetrommel für Mutti geschlagen habt, der das ja ein ach so großes Anliegen ist und sich nun bestimmt weiter für die Umwelt und Nachhaltigkeit stark machen wird... NICHT.