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Kommentar WahlrechtEinlenken der SPD weniger verdächtig

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die SPD will das Wahlrecht doch erst nach der Wahl ändern? Richtig so - denn Modifikationen vor der Wahl wären wegen der damit verbundenen Parteiinteressen problematisch.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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11 Kommentare

 / 
  • US
    Uwe Sak

    Zitat: Das Bundesverfassungsgericht hält sogar ein reines Mehrheitswahlrecht für zulässig. Zitatende

     

    Eine "Demokratie" die solche Verfassungsrichter hat, braucht keine Staatsfeinde mehr.....

     

    http://www.freitag.de/politik/0926-demokratie-partizipation-wahlrecht

  • M
    Matze

    Zutiefst entsetzt über solch einen Kommentar in der taz würde ich hier gern auf ein paar Punkte im Einzelnen eingehen:

     

    "Rechtlich entstehen dadurch keine Risiken."

     

    Sollte im Bundestag eine Koalition die Mehrheit erhalten, obwohl oder sogar w e i l sie weniger Stimmen als die anderen Fraktionen bekommen hat und vor allem, weil sie ein entsprechendes Urteil vor der Wahl nicht umgesetzt hat, obwohl sie es konnte und von dem Risiko wusste, wäre der Schaden am Ansehen der Demokratie so groß, dass eine Wahlprüfung das auch nicht mehr richten könnte.

     

    "Nun wird zwar noch einmal nach einem "verfassungswidrigen" Wahlrecht gewählt, bei dem "negative Stimmeffekte" auftreten können. Das heißt, der Wähler kann in extremen Einzelfällen der Partei, die er wählt, schaden.

     

    Herr Fehndrich von Wahlrecht.de hat das hier ja bereits erläutert, unter selten verstehe ich bei mehr als 6 Millionen betroffenen Wählern (und vom Ergebnis wären ja eigentlich alle Wahlberechtigten betroffen) etwas anderes.

     

    "Der Effekt ist aber so selten und kompliziert, dass es - verglichen mit Wahlrechtsproblemen etwa im Iran - um ein echtes Luxusproblem geht."

     

    Ob ein Effekt kompliziert ist oder nicht, wenn er verfassungswidrig ist und große Auswirkungen hat, gehört er beseitigt. Und ich halte es für ein großes Problem, Bundestagswahlen mit "Wahlen" im Iran zu vergleichen, soweit sind wir doch hoffentlich noch nicht gekommen, oder?

     

    "Auch das Bundesverfassungsgericht hat frühere Klagen gegen negative Stimmeffekte abgelehnt."

     

    Es gab zwei Wahlprüfungsbeschwerden zur Bundestagswahl 1998, u.a. von den gleichen vier Richtern ohne Begründung abgelehnt, die 1997 das Überhangmandatsurteil fällten. Warum sie das taten, braucht man dann wohl nicht lange zu überlegen. Die Wahlprüfungsbeschwerden zu den folgenden Wahlen 2002 und 2005 sind erst im letzten und in diesem Jahr entschieden worden.

     

    "Auch die Überhangmandate, die entstehen, wenn eine Partei mehr Direktmandate holt, als ihr nach den Zweitstimmen Sitze zustehen, hat Karlsruhe nicht verboten."

     

    Karlsruhe hat die Regelung für verfassungswidrig erklärt, die zum Entstehen von internen Überhangmandaten führt. Externe Überhangmandate, gegen die die Entscheidung nichts gerichtet ist, sind bisher noch n i e bei Bundestagswahlen aufgetreten.

     

    "Wir haben nun mal ein Wahlrecht, bei dem auch die Direktwahl im Wahlkreis eine Rolle spielt."

     

    Die Wahl in den Wahlkreisen wäre vom im Bundestag vorliegenden Gesetzentwurf nicht berührt. Überhangmandate erhöhen aber die Zahl der Listenmandate – ein Ergebnis von Überhangmandaten ist somit die Schwächung der Direktwahl im Wahlkreis.

     

    "Das Bundesverfassungsgericht hält sogar ein reines Mehrheitswahlrecht für zulässig."

     

    Selbst bei einem reinen Mehrheitswahlrecht wirkt sich die Stimme für einen Kandidaten entweder nicht oder positiv aus, niemals aber negativ!

     

    "Es wäre letztlich verdächtiger, wenn das Wahlrecht kurz vor der Wahl geändert werden würde, als es beizubehalten"

     

    Es wäre verdächtiger, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dem wohl wichtigsten Bereich unserer Demokratie umzusetzen? Hier fällt auch mir nichts mehr dazu ein ...

  • HG
    Herbert G. Hassold

    Ich dachte die taz will wieder "linkeres Profil" gewinnen; das wäre angesichts der faktischen publizistischen Gleichschaltung im Lande, insbesondere in Sachen "SPD-bashing", dringend nötig. Stattdessen Sätze wie "die CDU stellt klar"... Das nenne ich profilierte Meinungsbeiträge, aber aus dem Konrad-Adenauer-Haus.

  • D
    Demokratie

    Ich bin entsetzt über diesen Kommentar auf Bild Niveau. Es ist ein Skandal erster Ordnung, wenn möglicherweise die nächste Regierung nur aufgrund eines verdassungswidrigen Wahlrechts ins Amt kommt. Das ist kein Luxusproblem! Man lese den Kommentar des Herrn Prantl in der SZ, da können die Taz-Schreiberlinge noch was lernen. Zunächst sollte man die Materie doch selbst verstehen, bevor man so einen Blödsinn schreibt. Beim nächsten Mal am Kiosk lass ich die taz doch lieber liegen, das Niveau der Zeitung sinkt in letzter Zeit in unergründliche Tiefen.

  • MF
    Martin Fehndrich

    Kompliziert ja, aber alles andere als selten. Der Effekt tritt regelmäßig auf und ist für die Wähler vorhersehbar. Bei der Wahl 2005 waren mehr als 6,5 Millionen Wählerstimmen betroffen, Wähler, die mit ihrer Stimme für eine Partei dieser Sitze genommen haben.

     

    Und schon jetzt können die Wähler in Sachsen und Baden-Württemberg wissen, daß eine Zweitstimme an die CDU für diese wieder zu weniger Sitze führen wird.

     

    Martin Fehndrich, Wahlrecht.de

  • M
    Martin

    Ich bin über diesen Kommentar schockiert. Ihr Satz 'Nun hat die CDU klargestellt, dass das Wahlrecht erst nach der Wahl geändert wird' läßt mich fragen, ob ich jetzt bei einem Parteiorgan der CDU gelandet bin? Die CDU stellt also 'klar', gegen die Mehrheit im Bundestag und gegen das Votum des Bundesverfassungsgerichts, was Sache ist, nämlich auch bei der nächsten Wahl durch undemokratische Regeln mehr Mandate zu wollen, als ihr ansonsten zuständen. Und das ist gut so? Zumindest nach Meinung des rechtspolitischen Vertreters der TAZ. Auf die Idee, dass es sich hierbei um eine Frage der Politik - des politischen Willens - handelt, kommt Herr Rath nicht. Wer etwas 'klar stellt' und wer nicht, ist die Frage nach Macht und Ohnmacht, Herr Rath. Die SPD könnte nach langer Zeit Flagge zeigen, könnte selber 'klar stellen'. Sie macht es nicht, aus reiner Feigheit vor dem Vorwurf einer Allianz mit den Linken, trotz Verfassungsgerichtsurteil. Das bedeutet die Selbstzerstörung der Glaubwürdigkeit.

  • KK
    Klaus Keller

    Luxuskommentator: Das heißt, der Wähler kann in extremen Einzelfällen der Partei, die er wählt, schaden. Der Effekt ist aber so selten und kompliziert, dass es - verglichen mit Wahlrechtsproblemen etwa im Iran - um ein echtes Luxusproblem geht. Aha die CDU hat entschieden!Es wird nach der Wahl überlegt wie man zu einem besseren Ergebnis kommt und Herr Rath(los)nickt zustimmend. Die TAZ hat wohl auch ein Luxusproblem. Diesem schläfer ist es wohl entgangen das das eine Stimme über die Wahl des Kanzlers/Kanzlerin entscheiden kann. Wenn die SPD,Die Linke,Die Grünen hier keine Reform herbeiführen können sollten sie im Herbst erst gar nicht antreten.

    Klaus Keller Hanau

  • KK
    Karl K

    ..."Deshalb ist es immer schlecht für eine Demokratie, wenn über das Wahlrecht gestritten wird"...Meine Mutter selig:" Junge, geh ins Bett, n besseren Witz machst du heute nicht mehr."

  • I
    iBot

    Wie Sie sehr richtig feststellen, vertreten beide Optionen Parteiinteressen.

    Sie halten also die Interessen zweier erodierender Volksparteien mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag, die vom status quo profitieren, für "weniger verdächtig" als die zweier kleiner Oppositionsparteien, von denen die eine keine realistische und die andere so viele Koalitionsmöglichkeiten hat, dass sie mit Taktieren gar nicht anzufangen braucht?

  • S
    svepet

    "Das heißt, der Wähler kann in extremen Einzelfällen der Partei, die er wählt, schaden."

     

    Wenn das wirklich so ist, ist das ein Skandal denn warum schade ich "meiner" Partei wenn ich sie wähle, dann braucht man gar nicht wählen gehen!!!

     

    "Es wäre letztlich verdächtiger, wenn das Wahlrecht kurz vor der Wahl geändert werden würde, als es beizubehalten - auch wenn beide Optionen mit bestimmten Parteiinteressen verbunden sind."

     

    Was wäre verdächtiger?

    Wieder mal so ein Journalist der seiner Aufgabe nicht nachkommt!

    Einfach mal so ne Floskel hinhauen wie:"

    Es ist nun einmal so dass"

    "Mittlerweile ist ja unbestritten"

    "Wie wir alle wissen".

    Das ist wiedermal so ein Totschlagargument.

    Echt erbärmlich heut zu tage der Journalismus!!!

    Gruß

    Svepet

  • T
    Thomas

    In meinen Augen ist es viel verdaechtiger, wenn eine Partei auf die Wahrung ihrer Interessen verzichtet...