Kommentar Wahl in Österreich: Aufatmen, aber nicht einknicken

Fast wäre ein Rechtspopulist Präsident von Österreich geworden. Das darf sich nicht wiederholen. Nun sind die Demokraten gefordert.

ein Dach mit zwei Flaggen vor blauem Himmel

Hier zieht doch keine Partei ein, die mit Anleihen an den historischen Nazismus provoziert: die Hofburg in Wien Foto: dpa

Der FPÖ-Politiker Norbert Hofer sah schon wie der sichere Sieger aus. Doch dann konnte ihn sein Kontrahent Alexander Van der Bellen auf der Zielgeraden gerade noch abfangen. Nicht der Rechtspopulist zieht nun als neuer österreichischer Präsident in die Wiener Hofburg ein, sondern der grüne Wirtschaftsprofessor. Mit hauchdünnem Vorsprung entschied der die Stichwahl für sich. Europa kann aufatmen.

Groß war die Sorge vor einem Rechtspopulisten in der Wiener Hofburg. Hofer hatte im Wahlkampf angedeutet, dass er als Präsident das Parlament auflösen würde, sofern es seiner Partei, der FPÖ, nützen würde. Die punktet seit Jahren als vermeintliche Stimme des „kleinen Mannes“ mit Ausländerfeindlichkeit.

Besonders in den Vorstädten und ländlichen Regionen verfangen die Botschaften der Rechtspopulisten. Deren Feindbild ist in Österreich nicht nur die Europäische Union. In unverschämter Weise provozieren FPÖ-Politiker immer wieder mit Anleihen beim historischen Nazismus. Ein FPÖ-Präsident in der Hofburg hätte sich weiterhin als Opposition zum „System“ und der Europäischen Union verstanden.

Die spannende Frage in Österreich bleibt nun, wie die früheren Staatsparteien, also die sozialdemokratische SPÖ und die christlich-konservative ÖVP, auf ihre jüngsten Niederlagen reagieren. Der Grüne Van der Bellen lag jetzt in fast allen Städten vorn, aber nur in einem einzigen Flächenbundesland, in Vorarlberg. Dort regiert eine Koalition aus ÖVP und Grünen. Bei Schwarz-Grün in Vorarlberg und Rot-Grün in der Wiener Landesregierung lassen sich Modelle für eine erfolgreiche Modernisierung der ehemaligen Großparteien SPÖ und ÖVP finden.

Die Schwäche von Christ- und Sozialdemokraten bildet den Ausgangspunkt für den Höhenflug der FPÖ. Wenn sich das Beinahewahldesaster nicht wiederholen soll, dann müssen die österreichischen Demokraten näher an die Bevölkerung heran. Sie müssen die Ängstlichen und die schlecht Gelaunten in der wohlhabenden Alpenrepublik dabei an ihre Eigenverantwortung erinnern und zur Teilhabe an den gesellschaftlichen Vorgängen ermuntern.

Ein Einknicken vor Sozialdarwinisten und den Feinden einer offenen Gesellschaft wird dabei nicht helfen. Kämpfen lohnt sich – wie der Wahlsieg Van der Bellens zeigt.

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Andreas Fanizadeh, geb. 1963 in St.Johann i.Pg. (Österreich). Leitet seit 2007 das Kulturressort der taz. War von 2000 bis 2007 Auslandsredakteur von „Die Wochenzeitung“ in Zürich. Arbeitete in den 1990ern in Berlin für den ID Verlag und die Edition ID-Archiv, gab dort u.a. die Zeitschrift "Die Beute" mit heraus. Studierte in Frankfurt/M. Germanistik und Politikwissenschaften.

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