Kommentar Wahl in El Salvador: Venezuela als Bürde
Der Ex-FMLN-Guerillero Cerén gewinnt nur knapp gegen seinen rechten Widersacher. Die Ereignisse in Venezuela belasten die Linke.
Das war knapp, viel knapper, als man es nach dem deutlichen linken Sieg im ersten Wahlgang erwartet hatte. Erst als am frühen Montagmorgen die Stimmen der letzten Urne gezählt waren, war klar: Die Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) bleibt an der Macht – dank eines hauchdünnen Vorsprungs von 0,22 Prozentpunkten vor der ultrarechten National-republikanischen Allianz (Arena).
Bei der Stichwahl scheint allein die Rechte von der um zehn Prozentpunkte höheren Wahlbeteiligung profitiert zu haben. Wie konnte das passieren? Dass der FMLN-Kandidat und ehemalige Guerilla-Kommandant Salvador Sánchez Cerén alles andere als eine charismatische Figur ist, war von vornherein klar. Er war Garant dafür, dass die Sozialpolitik fortgeführt wird, mehr nicht. Die FMLN hat ihn im Wahlkampf deshalb eher versteckt.
Themen standen im Vordergrund, der Kandidat gab keine Interviews, noch nicht an öffentlichen Debatten teil. Man wusste, dass das bei seinen beschränkten rhetorischen Fähigkeiten nur ein Debakel hätte werden könnte. Beim ersten Wahlgang hat das noch funktioniert. Eine Stichwahl aber ist ein Kampf Mann gegen Mann und da sah Sánchez Cerén alt aus.
Arena profitierte von den Unruhen in Venezuela. Ihr lange gepflegter antikommunistischer Diskurs funktionierte nach fünf Jahren linker Regierung nicht mehr. Daraus wurde nun aus aktuellem Anlass ein antichavistischer Diskurs und der zog, weil jeder in El Salvador um die guten Beziehungen der FMLN zur Regierung in Caracas weiß.
Niemand will Zustände, wie sie heute in Venezuela herrschen. Die Angst davor mobilisierte für die Rechte. Und wie in Venezuela sprach der knapp unterlegene Arena-Kandidat Norman Quijano von Betrug, rief gar nach der Armee. Man kann nur hoffen, dass dies ein spontaner Ausdruck der Frustration war und Arena morgen das Wahlergebnis gelassener sieht. Sonst kommen venezuelanische Zeiten auf El Salvador zu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen