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Kommentar Wahl in AndalusienSüßsaurer Erfolg für Podemos

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

Das Momentum, das sich die Protestpartei Podemos erhoffte, ist es nicht geworden. Die Machtverhältnisse im spanischen Andalusien bleiben gewahrt.

Podemos Spitzenkandidatin Teresa Rodriguez nach den Wahlen am Sonntag. Bild: reuters

S paniens Zweiparteiensystem ist robuster, als viele dachten. Zwar verloren im andalusischen Testlauf des Superwahljahres 2015 die beiden großen Parteien, die im Süden regierende sozialistische PSOE und die konservative Partido Popular (PP) des Ministerpräsidenten Mariano Rajoy zusammen über 600.000 Stimmen, die Machtverhältnisse jedoch blieben gewahrt. So können die Sozialisten in Andalusien auch weiterhin regieren.

Von 0 auf 15 Prozent ist für ein Debüt wie das von Podemos weit mehr als ein Achtungserfolg. Aber das Momentum, das sich die Protestpartei erhoffte und das die Umfragen auch vorhersagten – ist es nicht geworden. Die Angst vor Podemos sei der Grund für das überraschend gute Abschneiden der korrupten PSOE der andalusischen Regierungschefin Susana Díaz, so die spanische Presse. Das trifft es auf den Punkt.

Seit Ende Januar, als Podemos 300.000 Menschen zu einem „Marsch für Veränderung“ nach Madrid mobilisierte, haben sich PP, PSOE und die ihnen hörige Presse auf die neue Kraft eingeschossen, um genau diese Angst zu schüren und den Status quo zu verteidigen.

Talkshows und Titelseiten werden nicht müde zu behaupten, Podemos sei eine „radikale, bolivianisch bezahlte, antidemokratische“ und „vom Ausland finanzierte Kraft“, auch wenn kein einziger Euro der von Bolivien oder Venezuela bezahlten Honorare in die Parteikasse floss. Der Tenor: „Schaut her, die sind mindestens so korrupt wie wir.“

Die Kampagne schädigte das Image von Podemos als sauberer Partei. Zwar wurde der Verfall des spanischen Zweiparteiensystems so lediglich verlangsamt und nicht gestoppt. Aber so manche Andalusier, die vor zwei Monaten noch Podemos gewählt hätten, blieben voller Zweifel lieber zu Hause oder machten völlig verunsichert bei den Althergebrachten ihr Kreuz.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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3 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • ja und schaeuble hat auch kraeftig mit in die suppe gespuckt und wurde nicht muede, einer souveraenen regierung, demokratisch gewaehlt, aber eben sozialistischer couleur, jedwede legimitation abzusprechen und mit einer von mir in der politik noch nicht erlebten herablassung zu behandeln. da moegen noch so viele spanier von den banken aus ihren wohnungen gezerrt worden sein, saee nur genuegend angst und niedertracht von der kanzel, das wirkt immer.

  • Das braucht noch etwas Zeit... im Herbst zu den großen Wahlen sind sie bereit; Podemos wie auch der Wähler. Doch den Angstschweiß der etablierten Parteien riecht man bis Berlin; weshalb hier alles drangesetzt wird Tripras nicht das Schwarz unter dem Fingernagel zu gönnen.

    Und das allerbeste dran ist, diese Protestbewegung kommt nicht in braunen Hemden daher; sie kommt aus dem Bildungsbürgertum; die keine BILD lesen.

  • Herr Wandler. Keiner zweifelt daran, dass dass spanische Parteiensystem einer Veränderung bedarf u die praktizierte neoliberale Politik sowieso. Aber woher wissen Sie eigentlich so genau, dass keine Gelder der Venezolaner oder Bolivianer fließen? Seine Sympathie für die politischen Systeme dieser LÄnder bzw ihrer Regierungen hat der Parteichef von Podemos jedenfalls schon häufiger demonstriert. Oder nicht? Selbst wenn keine Gelder fließen, dass Podemos in Venezuela ein Vorbilder erblickt, dessen Politik ja sattsam bekannt sein dürfte und auch wohin sie führt. Jeden Tag große Märsche abhalten, stundenlange Reden gg die USA schwingen u ansonsten die Wirtschaft gg die Wand fahren (das realsozialist. Element osteurop Zuschnitts), sich die Presse hörig machen, mit entsprechenden Gesetzen (in Spanien ist die Presse den Altparteien hörig? im Ernst?) u auch sonst Repression gg Gegner ausüben. Ich bin vertraut mit der Romanze die auch hierzulande einige Leute mit dem Chavismus unterhalten, und ich habe es bis heute nicht verstanden, dass ansonsten ganz vernünftige Leute einem militarist. Führerkult, auch wenn er sich links gibt, nachrennt. Für jeden Menschen, der sich als links, sozialkritisch bezeichnet und noch bei Verstand ist, muss auch nur der leiseste Flirt mit Regimen diesen Typs auf entschiedene Ablehnung stoßen. Für die Freiheit des Menschen haben diese Regime nichts übrig.