Kommentar Von der Leyens Politik: Keine Politik gegen die Spaltung
Ursula von der Leyen konzentriert sich auf jene, die gute Vermittlungsprognosen haben: die Kurzzeitarbeitslosen und die Fitten. So verbucht sie kurzfristige Erfolge.
A rbeitsministerin Ursula von der Leyen wird oft vorgeworfen, eine PR-Maschine in eigener Sache zu sein: Sie mische sich gern auch über Fachgrenzen hinweg in Diskussionen ein, sei unbestritten eloquent, doch letztlich falle ihre Bilanz mager aus.
Man findet dafür gute Argumente: Etliche der Gesetze, die die Ministerin auf den Weg gebracht hat, sind nicht von ihr initiiert: So hat sie bei der Reform der Hartz-IV-Regelsätze oder der Zusammenarbeit von Bund und Kommune in den Jobcentern auf Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts reagieren müssen.
Ihre groß angekündigte Offensive gegen den Missbrauch der Leiharbeit entfaltet allenfalls kosmetische Wirkung, und einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn hat sie nur zurückhaltend beworben.
ist taz-Redakteurin für Soziales und Arbeitsmarkt im Ressort Inland.
Doch steckt dahinter keine Untätigkeit. Die Ministerin gestaltet durchaus - doch sie versteht Sozial- und Arbeitsmarktpolitik als Instrument, um die Fittesten zu fördern, statt als Mittel des sozialen Ausgleichs und Umverteilung.
So hat sie die Hartz-IV-Sätze mit allerlei Tricks kleingerechnet und bereitwillig die Sparvorgaben aus dem Finanzministerium exekutiert. Arbeitslosen, die in Hartz IV rutschen, strich sie das zweijährige Übergangsgeld, Eltern, die ALG II erhalten, das Elterngeld von 300 Euro monatlich.
Die Reform der Instrumente, mit denen Arbeitslosen wieder Jobs verschafft werden sollen - auch sie ein Ergebnis des 2010 beschlossenen Sparpakets - nutzte sie für einen Kurswechsel: Von der Förderung weitgehend abgehängt werden diejenigen, die als schwer vermittelbar gelten: Langzeitarbeitslose, Menschen mit psychischen Problemen oder Suchtkranke.
Man konzentriert sich auf jene, die gute Vermittlungsprognosen haben: die Kurzzeitarbeitslosen und die Fitten. Aus Ministeriumssicht ist das konsequent. So verbucht man kurzfristige Erfolge, in denen man sich sonnen kann. Zur Bekämpfung der sozialen Spaltung, die sich in die Gesellschaft frisst, trägt ihr Kurs jedoch nicht bei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video