Kommentar Viktoria-Kaserne: Der Gewinner wäre die Stadt
Genauer betrachtet, ist das Verkaufsangebot der Stadt kaum noch eine großzügige Offerte, sondern die eleganteste Lösung.
S eit über drei Jahren sind die KünstlerInnen des Frappant e. V. in der Viktoria-Kaserne. Ursprünglich sollten sie nur ein Jahr bleiben, aber daraus wurde nichts – erstens, weil die Stadt keine rechte Idee hatte, was sie sonst mit dem denkmalgeschützten Gebäude anfangen sollte. Und zweitens, weil man nicht wusste, wohin man die KünstlerInnen hätte verfrachten sollen, die zuvor ja bereits aus dem ehemaligen Frappant-Gebäude geschmissen worden waren.
Naheliegend wäre nun gewesen, sie einfach als Mieter zu akzeptieren. Dann aber hätte die Stadt die Sanierung des Gebäudes zu bezahlen – und der nächste Konflikt wäre kaum vermeidlich: Denn Mieten, wie sie sich die Finanzbehörde für sanierte Flächen in Top-Lage vorstellt, könnten die KünstlerInnen nicht zahlen. Also müsste die Kulturbehörde ran, die Mietzahlungen dauerhaft subventionieren, und dafür ist kein Geld da.
Vor diesem Hintergrund sieht das Verkaufsangebot, das die Stadt den KünstlerInnen gemacht hat, nicht mehr nach einer so großzügigen Offerte aus, wie es im ersten Augenblick den Anschein hat. Ein Verkauf wäre vielmehr für die Stadt die eleganteste Lösung: keine teure Sanierung, keine laufenden Kosten, keine politischen Konflikte wegen ausgebooteter Künstler, aber auch keine schwer berechenbaren weil auf Rendite fixierten Investoren.
Der Preis dafür: ein relativ geringer Verkaufserlös, von dem allerdings zu fragen wäre, ob auf andere Weise wirklich so viel mehr zu holen wäre: Schließlich ist das Gebäude denkmalgeschützt, das schmälert seine Attraktivität für Investoren.
Bleibt die Frage, ob die KünstlerInnen das Geld, die organisatorische Kraft und den Willen zur langfristigen Planung haben, die sie brauchen, um die Immobilie zu übernehmen. Die Bittsteller sind sie in diesem Szenario nicht. Im Gegenteil: Sie sind diejenigen, die der Stadt ein paar Probleme abnehmen können.
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