piwik no script img

Kommentar VideoüberwachungRechtsfreie Räume

Kommentar von Kai von Appen

Den Verantwortlichen bei den Länderpolizeien ist bewusst, dass sie gegen geltendes Recht verstoßen, wenn sie die mobilen Videokameras prophylaktisch bei Demos laufen lassen.

E ins ist klar: die Rechtslage. Das präventive Filmen von Teilnehmern einer Demonstration, die nichts Strafbares gemacht haben, ist rechtswidrig und verstößt gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Das haben Gerichte mehrfach entschieden, das Bundesverfassungsgericht hat es unterstrichen.

Da nützt es auch nichts, wenn nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Münster, die speziell den Einsatz mobiler Beweissicherungsfahrzeuge aufs Korn genommen hat, von Verantwortlichen die Floskel geäußert wird: Zwei Juristen – drei Meinungen. Den Verantwortlichen bei den Länderpolizeien ist bewusst, dass sie gegen geltendes Recht verstoßen, wenn sie die mobilen Videokameras prophylaktisch bei Demos laufen lassen – aber eben nur gegen geltendes Verwaltungsrecht.

Und da liegt das Problem. Wer bei Rot über die Ampel geht, kassiert ein Bußgeld. Wer jemandem eins auf die Nase haut, muss eventuell sogar ins Gefängnis. Wer jemanden beim Autoverkauf bewusst betrügt, muss zivilrechtlich mit Regress rechnen.

Doch im Verwaltungsrecht gibt es keine Sanktionen, nur einen Tadel. Und darum wird nach dem Prinzip gehandelt. „Legal, illegal, scheißegal.“ Wenn die Politik nicht einschreitet, wird es weiterhin rechtsfreie Räume für die Staatsgewalt geben – und Grundrechtseinschränkungen für Demonstranten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Hamburg-Redakteur
Jahrgang 1956, Seit 1983 bei der taz – zuerst bei der taz.hamburg und jetzt bei der taz.nord in Hamburg. Ressorts: Polizei, Justiz, Betrieb und Gewerkschaft. Schwerpunkte: Repression, progressive Bewegungen und Widerstand gegen Gentrifizierung
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • BB
    Bernd Baron

    ...doch im Verwaltungsrecht gibt es keine Sanktionen, nur einen Tadel. ....

     

    Jeder Tadel kommt jedoch infolge einer Entscheidung eines/ -r Angestellten oder eines/ -r Beamten /-in der öffentlichen Verwaltung und dieser Tadel lässt mindestens in Erwägung ziehen, diese, den Tadel auslösende Entscheidung dieser Mitarbeiterinnen / -er, auf pflichtwidriges Handeln oder Unterlassen zu überprüfen.

    Für die Polizei hätte das – eigentlich - , bei der "Großzügigkeit" mit der Übergeordnete dort sonst z.T. ihre Mitarbeiterinnen / -er bei weit weniger gesellschaftsschädlichen Entscheidungen über Jahre mit Disziplinarverfahren überziehen, zur Folge, das im Falle eines solchen Tadels, das offensichtlich pflichtwidrige Handeln/ die Unterlassung über das, dem Legalitätsprinzip verpflichteten Disziplinarrecht zu überprüfen!

    Unsere freiheitlich demokratische Grundordnung wird - auch - über das ordnungs- u. rechtmäßige Handeln öffentlicher Verwaltung definiert.

    Die Erkenntnisse aus den – ernsthaft – geführten Disziplinarverfahren gegen Mitarbeiter des für den betroffenen Verwaltungsbereich abschließend verantwortlichen höheren Leitungsbereich - dürfen – abschließend ein Urteil zur Folge haben, dass die Mitarbeiterin, den Mitarbeiter des höheren Verwaltungsdienstes durchaus eine Stange Geld kosten kann.

    Leider nur hat man den Eindruck, dass bezogen auf die Polizei bereits von Seiten des vorigen Amtsleiters der Behörde für Inneres und Sport, die höhere Verwaltungsebene ihr Eigenleben führen darf.

    Ein Staat im Staate??

    Bei uns??

  • S
    Socke

    die Videoüberwachung von Demos hat schon gute gründe, vornehmlich wird ja gerne von linken steinewerfern das "Recht" auf Vermummung in anspruch genommen. Wenn ich mir die Bilder der "Demo" (Ausschreitung trifft es eher) in Frankfurt anschaue können wir ja von Glück reden wenn solche Verbrecher durch Videoaufnahmen identifiziert werden können.