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Kommentar VerkehrsinfrastrukturDer Staat muss sich kümmern

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Staus, Streckensanierungen und ausfallende Flüge – Deutschland hat ein Mobilitätsproblem. Die Politik vernachlässigt das Thema schon zu lange.

Nicht pünktlich und demnächst auf vielen Strecken vollgesperrt, aber dafür teuer Foto: dpa

V on A nach B zu kommen, ist in Deutschland mitunter sehr schwierig. Das gilt nicht nur für die Menschen auf dem Land, wo der Bahnhof stillgelegt ist und der Bus kaum noch fährt. Das gilt auch für Reisen zwischen Verkehrsknotenpunkten. Wer das Auto nimmt, landet im Stau. Der Zug hat Verspätung oder fällt aus. Das Flugzeug: dito. Wenn die Bahn ab dem kommenden Jahr mit der Sanierung von Hochgeschwindigkeitsstrecken beginnt, wird die Lage noch schwieriger – und das bei viel zu hohen Preisen.

Mobilität ist in der Welt des 21. Jahrhunderts ein Grundbedürfnis. Menschen müssen sich schnell und verlässlich von einen Ort an den anderen bewegen können. Arbeit, Familie, Freundschaften und Freizeit haben einen viele weiteren Radius als noch vor einer Generation. Wer nicht mobil ist, bleibt bei vielem außen vor. Schon deshalb sollte sich jede und jeder kleine und große Ortswechsel jederzeit leisten können.

Wenn Mobilität ein Grundbedürfnis ist, ist es Aufgabe des Staates, sie zu gewährleisten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Städte und Länder unternehmen kaum etwas, um AutofahrerInnen zum Umstieg auf die Schiene zu bewegen. Aus gutem Grund, die Bahnen sind jetzt schon zu voll. Die Bundesregierung hat Jahrzehnte zugeschaut, wie die Bahn kaputt gespart wird, statt für einen Ausbau von Strecken und Takten zu sorgen. Im Luftverkehr hat sie im Verein mit der EU eine Liberalisierung durchgesetzt, die in Punkto Zuverlässigkeit zu einem ähnlichen Ergebnis führt wie das ewige Kürzen bei der Bahn.

Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland, in einem der reichsten Länder der Welt, ist desaströs. Am Freitag will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bei einem Luftfahrtgipfel über das Chaos an den Flughäfen sprechen. Das wird nicht viel bringen. Gebraucht wird keine Insellösung für eine profithungrige Branche, sondern ein großer Wurf für ein funktionierendes Verkehrswesen mit einer guten und billigen Bahn als Herzstück.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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11 Kommentare

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  • Der Kommentar ist zu schwarz/weiß gedacht und spiegelt nicht die Realität wieder. Ja, Mobilität ist ein allgemeines Anliegen unserer Gesellschaft, aber von Grundbedürfnis oder Daseinsvorsorge würde ich nicht sprechen. Der wichtige Aspekt "Mobilitätszwang" fehlt ebenfalls im Kommentar. Wir Wohnen in A, arbeiten in B, kaufen in C und spielen in D. Das ist das Resultat einer falschen Stadt- und Verkehrsplanung im vergangenen Jahrhundert. Lasst es uns in diesem Jahrhundert besser machen!

  • Die Regierung macht schon lange eine fehlgeleitete Verkehrtpolitik. Gerade unser jetztiger Finanzminister dreht der Bahn nicht nur das Geld ab, sondern hat vorher in Hamburg schon eine Verkehrswende verhindert.



    Aber wirklich desaströs ist bei uns nur die Digitalpolitik. Die Betonpolitik der Autolobby ist dagegen immer noch dominant - auch die taz hat sich von den Forderungen nach Verkehrswende schon lange verabschiedet. In der Regierung sind zudem nur Parteien, die für eine autozentrische Verkehrspolitik stehen. Da kann man leider nicht viel erwarten. Gerade eben wurde der Etat für den Autoverkehr wieder deutlich erhöht, während Bahn- und Radverkehr weiter gekürzt werden. Dazu kommt der Dieselskandal, der eben nicht nur das Ergebnis einiger krimineller Konzernlenker ist, sondern vor allem auch das Ergebnis einiger korrupter Regierungen, die leider immer noch im Amt sind.



    Was soll man da erwarten? Selbst die Konkurrenz der AfD verspricht da nur schlechtes. Deren Position ist etwa so verkehrsextrem wie die der FDP, die eine bedingungslos autogerechte Welt fordert. Wenn sich die Union da annähert, wird da nichts besser.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    „Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland, in einem der reichsten Länder der Welt, ist desaströs.“ Starke Worte am Ende eines schwachen Kommentares.



    Besser geht immer, zugegeben, aber desaströs? Nein. Und persönliche Mobilität zu einem Grundbedürfnis zu erheben halte ich schon fast für zynisch. Wir bekommen Kinderarmut nicht in den Griff, dulden weiterhin prekäre Arbeitsstrukturen, „hängen“ in der Bildung, schaffen Altersarmut und verhalten uns als KonsumentInnen ausbeuterisch bis zum „geht-nicht-mehr“. Da liest sich dieser Kommentar schon recht fehlgeleitet. Zumal die Kernprobleme der Mobilitätsanfoderungen noch nicht einmal angesprochen wurden: Individualverkehr mit völlig unzureichenden Verkehrsmitteln (z. B. Auto anstelle von Rad), verändertes Kaufverhalten (amazon & Co.) oder Anforderungen ohne Nutzerquote. Bitte mehr Substanz das nächste Mal.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Fahrrad, fahrt mehr Fahrrad, dann wird alles gut.

  • Die Schiene könnte fast alle unsere Verkehrsprobleme lösen. Ist aber nicht unbedingt die exklusive Schuld der Bundesregierung, dass die Politik so autolastig ist. Sondern die vielen Autopfer hier in Deutschland sind auch nicht ganz unschuldig dran. Nimm ihnen das Auto und schon hat keiner mehr Selbstachtung.

  • "Wenn Mobilität ein Grundbedürfnis ist, ist es Aufgabe des Staates, sie zu gewährleisten"



    Grundbedürfnisse sind auch ein sicheres Einkommen, bezahlbarer Wohnraum, gesunde Umwelt, gute Bildung etc.



    Als Staat hat man's wirklich nicht leicht.



    Wer ist das eigentlich, der Staat?

    • @Gregor Tobias:

      "Staat (ugs. bzw. nichtfachspr. auch Land)[1] ist ein mehrdeutiger Begriff verschiedener Sozial- und Staatswissenschaften. Im weitesten Sinn bezeichnet er eine politische Ordnung, in der einer bestimmten Gruppe, Organisation oder Institution eine privilegierte Stellung zukommt – nach Ansicht einiger bei der Ausübung von (politischer) Macht; nach Ansicht anderer hinsichtlich sowohl der Entfaltung des Einzelnen als auch der Gesellschaft." (Wikipedia)

  • Das ständige Gejammere, dass, wie die Überschrift verallgemeinert, Mobilität praktisch nicht vorhanden wäre, alles kaputt wäre, ist weit von der Wirklichkeit. Selbst bei x km Staus, bei Zugverspätungen und Brückensanierungen.

    In welchen Ländern geht es denn wirklich besser? Länder mit einer ähnlich hohen Mobilität, inkl. Transitverkehr und Sicherheit?

    Interessant auch die Definition zu Begründung der Aufgabe "Wenn Mobilität ein Grundbedürfnis ist, ist es Aufgabe des Staates.."

    Wer entscheidet, ob? Ab wann? Zweifelslos ist die Gesellschaft immer mobiler geworden. Deshalb werden die Flughäfen dauernd ausgebaut, werden die Autobahnen saniert.

    Die Kosten werden aber nicht richtig umgelegt. Der Transport durch LKW muss deutlich teuerer werden, was aber wohl zu einem reduzierten Wachstum führen würde. Ebenso ein Stop des Luftverkehrsausbaus.

    Das postulierte "Grundbedürfnis Mobilität" spiegelt scih aber nicht im Bahnverkehr, sondern im motorisierten Individualverkehr. Das ist ein falscher Ansatz, aber nach der oben erwähnten Aufgabe der Politik ist vieles richtig gelaufen.

    • @fly:

      "Das postulierte "Grundbedürfnis Mobilität" spiegelt scih aber nicht im Bahnverkehr, sondern im motorisierten Individualverkehr."

      Falsch. Auch Menschen ohne Führerschein haben ein Recht auf Mobilität.

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Innerdeutscher Flugverkehr ist etwas, das zu Gunsten des Bahnverkehrs abgeschafft gehört. Kein Mensch muss von Hamburg nach München fliegen. Das kann der Zug besser und nicht wesentlich langsamer, wenn man in die Schiene investiert.

    • @970 (Profil gelöscht):

      Für rund 5 Stunden weniger Reisezeit und den halben Preis, da ist es schon nachvollziehbar, dass Menschen in Flugzeuge steigen.

      Gerade da aus den 5 Stunden mit der Bahn gerne 7 - 12 werden können. Je nach Überforderung.