Kommentar Verhandlungen mit Taliban: Karsais riskante Strategie

Karsai muss bei seiner Strategie erstens seine militärfixierten westlichen Allierten mitziehen. Der Ansatz widerspricht auch der bisherigen US-Strategie.

Dass Afghanistans Regierung erstmals eine nachprüfbare Strategie zur Versöhnung mit den Taliban vorlegen will, birgt Chancen, aber auch grundsätzliche Probleme. Die Hauptchance: Offenbar versucht Karsai ernsthaft, den Krieg im Land durch eine politische Einbindung versöhnungsbereiter Taliban zu beenden; seine militärfixierten westlichen Alliierten muss er allerdings bewegen, mitzuziehen.

Das nächste Problem ist, dass sein Ansatz im Grunde der "neuen" (von Elementen alter Bush-Politik durchsetzten) US-Strategie für Afghanistan widerspricht. Wie will man Kontakte zu Taliban-Führern herstellen, wenn diese fürchten müssen, im Teehaus auf neutralem Boden von einer US-Drohne getroffen zu werden? Wird sich Obama - angesichts selbst gesteckter kurzer Fristen - die Zeit dafür nehmen, herauszufinden, welche Taliban versöhnungsbereit sind und welche nicht? Wird er sie davon überzeugen können, dass sie Menschen- und insbesondere Frauenrechte anerkennen müssen, insofern sie an der Macht beteiligt werden wollen?

Karsai selbst wird in London auf rote Linien verpflichtet werden müssen, die bei einer Versöhnung nicht überschritten werden dürfen. Dabei ist seine eigene Bilanz in Sachen Rechte und Freiheiten ja auch nicht berauschend. Und im Westen könnte sich angesichts des Drangs in Richtung Exit eine Tendenz durchsetzen, über einiges hinwegzusehen.

ist Kodirektor des unabhängigen Thinktanks Afghanistan Analysts Network (Kabul/Berlin).

Schließlich ist Kabuls Zeitplan ein Manko des Vorhabens. Versöhnung ist innenpolitisch ein kontroverses Thema. Frauenverbände, Teile von Zivilgesellschaft, Presse, politischer Opposition und ethnischer Minderheiten stehen dem Versuch höchst skeptisch gegenüber. Sie müssten durch eine wirkliche Konsultation, und nicht nur durch eine Express-Loja-Dschirga, in einen nationalen Konsens eingebunden werden, bevor man an Mullah Omars Tür klopft. Sonst läuft man Gefahr, dass die halbe Bevölkerung dagegen - und berechtigterweise - rebelliert.

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