Kommentar VW und das Ende des Diesels: Mehr Volkswagen wagen
VW-Chef Matthias Müller fordert ein Ende der Subventionen für Diesel. Die Verkehrspolitik sollte dem größten Branchenvertreter folgen.
E rinnert sich noch jemand an die Geschichte der WAA Wackersdorf? Gegen großen Widerstand in der Bevölkerung trieben dort in den 1980er Jahren Bundesregierung und Bayern den Bau einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage voran. Bis 1989 die Industrie ausstieg, einer billigeren Alternative wegen. Die Atomfreunde in der CDU/CSU hatten viel Geld und Geduld verbrannt und standen blamiert da.
So ähnlich ergeht es jetzt der Regierung und ihrem (bayerischen) Ex-Verkehrsminister. VW-Chef Matthias Müller legt mit einem einzigen Interview eine Vollbremsung hin und wendet sich gegen die gesamte Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte: Schluss mit der Steuerbefreiung für den Diesel, her mit einem Tempolimit auf Autobahnen und einer blauen Plakette für „saubere“ Dieselautos in der Stadt. Das sind drei zentrale Punkte, die für die anderen Autokonzerne, den Lobbyverband VDA und die Bundesregierung immer indiskutabel waren. Jetzt zeigt Müller, Chef des weltgrößten Autokonzerns, dass auch er nicht mehr an die Zukunft des Diesels glaubt.
Müller ist kein Grüner Engel. Bei VW steht die Nachhaltigkeit immer noch nur in den Broschüren. Aber der Mann kämpft um seine Zukunft und die seines Konzerns. Er hat mit kaltem Ingenieurblick gesehen, dass die Steuermilliarden für den Diesel besser in der Elektromobilität angelegt sind.
Das zeigt einen Realismus, dem sich die anderen Hersteller und SPD und CDU/CSU bisher verschließen. Sie hängen weiter der Vorstellung an, die Politik müsse der Industrie alle ihre Wünsche erfüllen und sich dabei an den kurzsichtigen Interessen der Vorstände und Aktionären orientieren.
Dieses strukturkonservative Denken ist selbst einem Konzernchef wie Müller nun zu vorgestrig. Deshalb sollte die Verkehrspolitik in Deutschland, die es in den letzten Jahren unter Alexander Dobrindt praktisch nicht gegeben hat, einmal das tun, was man ihr sonst gern vorwirft: dem Drängen des größten Branchenvertreters nachgeben.
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