Kommentar VW-Abgas-Betrug: Das Spiel auf Zeit
Jetzt geht es bei VW um die großen und teuren Autos. Sollte auch hier betrogen worden sein, ist der neue Konzernchef nicht zu halten.
W enn die neuen Vorwürfe der US-Umweltbehörde zutreffen, könnte VW seinen nächsten Vorstandsvorsitzenden verlieren. Von der Tochter Porsche kommend, hat Matthias Müller gerade erst den Chefposten übernommen, um im Konzern aufzuräumen. Nun jedoch wirft die amerikanische Behörde unter anderem auch Porsche vor, Betrugssoftware in seinen Dieselmotoren eingesetzt zu haben, damit die Fahrzeuge die US-Abgastests meistern.
Ging es bisher um die Familienkutschen, stehen nun die großen Autos im Fokus – die Pseudogeländewagen VW Touareg, Porsche Cayenne und Audi Q5 sowie die dicken Limousinen A5 bis A8.
VW dementiert den Vorwurf hart und eindeutig. Sollten sich die Anschuldigungen trotzdem erhärten, hätte das Unternehmen bisher auf Zeit gespielt. Anstatt der versprochenen Transparenz müsste man die Fortsetzung der Vertuschung gegenüber Kunden, Öffentlichkeit und Politik konstatieren.
Hatte der ehemalige Porsche-Chef Müller nicht kürzlich noch grundsätzliche Besserung gelobt? Sollte nicht eine neue Unternehmenskultur mit den kriminellen Strukturen brechen? Auch daran müsste man zweifeln, falls der neue Vorstandsvorsitzende so weitermachte, wie sein Vorgänger aufgehört hatte.
Klar dabei ist, dass das Bundesverkehrsministerium, die Niedersächsische Landesregierung und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Konzern bei der Schadensbegrenzung unterstützen. Auch in der Politik und in den Behörden ist der Aufklärungswille begrenzt. Denn man will dem größten deutschen Autobauer nicht zu hohe Kosten aufbürden.
Deswegen untersucht das KBA jetzt zwar die wirklichen Abgaswerte von Dieselfahrzeugen, hat aber keinen strengen Zeitplan für die Kontrolle veröffentlicht. Und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) macht sich auf europäischer Ebene dafür stark, dass VW und die anderen einheimischen Autokonzerne weiter die gesetzlichen Abgasgrenzwerte überschreiten dürfen. Auch die Politik spielt auf Zeit.
Angesichts dieser Lage ist es gut, wenn die US-Umweltbehörde EPA nicht locker lässt. Wobei auch sie vermutlich nicht objektiv untersucht. Ihr dürften die Interessen der US-Autoindustrie eher am Herzen liegen als die der deutschen Unternehmen.
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