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Kommentar VS in ThüringenInfozentrum statt Landesamt

Michael Bartsch
Kommentar von Michael Bartsch

Angesichts der vielen Fehler des Verfassungsschutzes in Thüringen reißt die Debatte um Strukturänderungen nicht ab. Der beste Vorschlag kommt von der Linkspartei.

D ie Thüringer Verfassungsschutzaffäre hat eine personelle und eine strukturelle Seite. Was sich während der Amtszeit von Präsident Helmut Roewer in den neunziger Jahren abspielte, eignete sich für eine Verfilmung im Stile von Monty Python - hätten für die NSU-Ermittlungspannen nicht Menschen mit ihrem Leben bezahlen müssen.

Wichtiger als die Aufarbeitung einer wohl einmaligen Geheimdienstära sind Fragen nach der künftigen Organisation und Struktur eines Verfassungsschutzes. Die zurzeit erwogene Zusammenlegung von Landesämtern ist nicht der Weisheit letzter Schluss.

Einesteils könnten zwar bewusste oder fahrlässige Desinformationen so eher vermieden werden. Andererseits stellt sich die Frage, ob eine solche Superbehörde nicht noch leichter zur Verselbständigung neigt und ob sie nicht noch schwerer zu kontrollieren ist. Der Kompromiss der regierungstragenden Fraktionen CDU und SPD wird wahrscheinlich auf ein Thüringer Landesamt hinauslaufen, dessen Befugnisse schärfer umrissen sind und das von einer nicht mehr ganz so zahnlosen Parlamentarischen Kontrollkommission beaufsichtigt wird.

Bild: taz
Michael Bartsch

berichtet für die taz aus Dresden.

Bemerkenswert ist, dass Grüne und Linke den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel nicht in toto verdammen. Aber eben nicht mehr in einem selbstherrlichen Amt, sondern unter der strengen Fuchtel des Innenministeriums.

Insofern besticht der Gesetzentwurf der Linksfraktion, anstelle des Landesamts ein Dokumentations- und Informationszentrum zu errichten, das sozusagen den wissenschaftlichen und archivierenden Bereich des Verfassungsschutzes übernimmt. Jedermann könnte sich dann über Erkenntnisse aus der Naziszene informieren. So könnte Thüringen sogar Modell für andere Länder sein.

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Michael Bartsch
Inlandskorrespondent
Seit 2001 Korrespondent in Dresden für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Geboren 1953 in Meiningen, Schulzeit in Erfurt, Studium Informationstechnik in Dresden. 1990 über die DDR-Bürgerbewegung Wechsel in den Journalismus, ab 1993 Freiberufler. Tätig für zahlreiche Printmedien und den Hörfunk, Moderationen, Broschüren, Bücher (Belletristik, Lyrik, politisches Buch „System Biedenkopf“). Im Nebenberuf Musiker.
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2 Kommentare

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  • V
    vic

    Das Problem ist nur. Ganz egal wie gut oder vernünftig ein Vorschlag der Linken ist- niemand will ihn hören.

  • G
    genau

    Schöner Vorschlag. Das zu gründende Zentrum könnte dann "Landesamt für Menschenschutz" heißen oder so ähnlich. Denn eigentlich soll die Verfassung nicht um ihrer selbst willen geschützt werden (ist ja schließlich nur ein wahlweise papiernes oder elektronisches Dokument), sondern weil die Prinzipien der Verfassung ihrer Intention nach die Freiheiten und Rechte der Menschen sichern sollen. Der Verfassungschutz schützt die Verfassung, die wiederum die Menschen und ihre Würde schützen soll... das ließe sich abkürzen. Gleichzeitig könnte ein derart umstrukturierte Institution endlich die grassierende Menschenfeindlichkeit innerhalb des Staates, der Wirtschaft und der sogenannte "demokratischen Mitte" angehen. Ob dafür dann allerdings V-Leute in CDU und SPD nötig sein werden, ist eine andere Frage.