Kommentar Urteil zur Euro-Rettung: Karlsruher Teilerfolg
Die EZB darf den Euro auch durch den Ankauf maroder Staatsanleihen stabilisieren. Damit sollte das Bundesverfassungsgericht leben können.
D ie Europäische Zentralbank (EZB) ist unabhängig. Das hat Deutschland durchgesetzt, als vor über zwanzig Jahren die europäische Währungsunion vereinbart wurde. So wollte man verhindern, dass die Politik die Zentralbank zur Staatsfinanzierung missbraucht. Damit hat sich Deutschland aber selbst ausgetrickst. Gerade weil die EZB unabhängig ist, kann die Bundesregierung nicht verhindern, dass die EZB freiwillig Staatsfinanzierung betreibt und Staatsanleihen in gigantischer Höhe aufkauft.
Dieses Dilemma ist der Hintergrund für die Aktivitäten des Bundesverfassungsgerichts: Wenn schon keine politische Kontrolle der Zentralbank möglich ist, soll sie wenigstens rechtlich kontrolliert werden. Karlsruhe fragte deshalb den Europäischen Gerichtshof, ob die EZB 2012 ihre Kompetenzen überschritt, als sie ankündigte, sie werde den Euro durch den Ankauf von Staatsanleihen retten.
Die Karlsruher Anfrage war zumindest in drei Punkten erfolgreich. Der EuGH hat jetzt entschieden, dass die EZB nicht machen kann, was sie will, sondern rechtlich kontrolliert wird. Der EuGH hat zweitens auch anerkannt, dass das Bundesverfassungsgericht in die Kontrolle einbezogen ist, indem es den EuGH einschalten kann. Die Regierungen von Griechenland, Italien und Irland hatten das mit guten Gründen für unzulässig gehalten, weil ein nationales Verfassungsgericht nicht für Europarecht zuständig ist.
Drittens hat der EuGH auch den Karlsruher Maßstab akzeptiert. Die EZB darf keine Staatsfinanzierung betreiben und das Verbot darf auch nicht umgangen werden. Einzige Niederlage für Karlsruhe: Der EuGH fand, dass die EZB ihre Kompetenzen damals nicht überschritten hat. Das hatte das Bundesverfassungsgericht anders gesehen.
Doch diesen Dissens sollten die deutschen Verfassungsrichter verschmerzen können. Es wäre ja auch dumm, die EZB als Akteur auszuschalten, solange sie so erfolgreich agiert und mit einer bloßen Ankündigung die Märkte beruhigen kann. Karlsruhe sollte sich daher über seinen Teilerfolg freuen und das Urteil des EuGH akzeptieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Die Wahrheit
Der erste Schnee