Kommentar Unwort des Jahres: Die Sprache des Mobs
Ja, sie tun weh, die Worte und Unworte der 10er Jahre. Denn sie spiegeln den Zustand der Gesellschaft auf unangenehme Weise wider.
D er rechte Mob, der das Land zunehmend auf Trab hält, lieferte in den letzten Jahren zuverlässig verbalen Stoff für die Kür der Worte und Unworte des Jahres. Für 2016 lassen sich die für die jeweilige Kategorie unabhängig ausgewählten Begriffe gut miteinander verbinden.
Das bereits Anfang Dezember gekürte „Wort des Jahres“, das da wäre „postfaktisch“, beschreibt jene Personen, die auf Grundlage ihrer zunehmend von Emotionen gesteuerten Interpretation der Gegenwart das althergebrachte und erst kürzlich vermeldete „Unwort des Jahres“, nämlich Volksverräter, aus den eben gar nicht tiefen Tiefen der nationalsozialistischen Vergangenheit ausgekramt haben.
Im August 2016, zum Beispiel, nutzen rechte Demonstranten in Salzgitter das Schlagwort, um mit postfaktischer Inbrunst SPD-Chef Sigmar Gabriel zu beschimpfen. Dieser setzte sich darauf mit einer nonverbalen Geste, dem ausgestreckten Mittelfinger, zur Wehr.
Die Jury der sprachkritischen Aktion „Unwort des Jahres“, bestehend aus vier Sprachwissenschaftler_innen und einem Journalisten, verfolgt das Ziel „in einer Zeit, in der der gesellschaftliche Konsens über die Grundprinzipien der Demokratie in Gefahr zu sein scheint, die Grenzen des öffentlich Sagbaren“ anzumahnen.
Ja, sie tun weh, die Worte und Unworte der 10er Jahre des 21. Jahrhunderts, denn sie spiegeln den Zustand der Gesellschaft auf unangenehme Weise wider. Es geht der Initiative ferner darum, „für mehr Achtsamkeit im öffentlichen Umgang miteinander zu plädieren“. Hoffentlich nehmen sich die postfaktisch Tickenden dies zu Herzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen