„Volksverräter“ ist Unwort des Jahres 2016: Das Erbe von Diktaturen
Den Begriff „Volksverräter“ benutzten schon die Nazis. Dass der Begriff immer noch verwendet wird, sage viel über die Gesellschaft aus, so die Jury.
Das Schlagwort „Volksverräter“ werde auch in sozialen Netzwerken häufig verwendet, sagte Janich. „Sprache sagt viel über Werthaltungen in einer Gesellschaft aus.“ Der Wortbestandteil „Volk“ – ebenso wie die in der Flüchtlingsdebatte genannten Begriffe „völkisch“ oder „Umvolkung“ – steht laut Jury „dabei ähnlich wie im Nationalsozialismus nicht für das Staatsvolk als Ganzes, sondern für eine ethnische Kategorie, die Teile der Bevölkerung ausschließt“.
Die „Unwort“-Jury richtet sich nicht nach der Häufigkeit der Vorschläge, sondern entscheidet unabhängig. Der Ausdruck „Volksverräter“ war dreimal eingesendet worden. Für 2015 hatte es insgesamt 1.064 Einsendungen gegeben, weniger als in den Jahren davor.
Zum „Unwort des Jahres 2015“ war der häufig von Rechtspopulisten verwendete Begriff „Gutmensch“ gewählt worden. Für 2014 hatte das Gremium „Lügenpresse“ ausgesucht. Im Jahr 2013 war „Sozialtourismus“ das „Unwort“, davor „Opfer-Abo“ (2012) und „Döner-Morde“ (2011). Die Aktion gibt es seit 1991. Sie soll das Bewusstsein und die Sensibilität für Sprache fördern. Die Jury nimmt bei ihren Entscheidungen „sachlich unangemessene oder inhumane Formulierungen im öffentlichen Sprachgebrauch“ in den Blick, „um damit zu alltäglicher sprachkritischer Reflexion aufzufordern“.
Neben dem „Unwort des Jahres“ gibt es auch das „Wort des Jahres“. Dieser Begriff wird unabhängig von der „Unwort“-Jury von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden gewählt. Für 2016 entschied sie sich für den Begriff „postfaktisch“. Zur Begründung hieß es, in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen gehe es zunehmend um Emotionen anstelle von Fakten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wohnkostendebatte beim Bürgergeld
Nur mehr Sozialwohnungen würden helfen
„Boomer-Soli“
Gib die Renten-Kohle her, Boomer!
Wohnen und Bürgergeld
Zur Not auf den Campingplatz
Petition für Schwangerschaftsabbrüche
Christdemokrat appelliert an CDU
Syrien-Expertin zu Massakern an Drusen
„Israels Schutzargumentation ist nicht glaubwürdig“
Steigende Staatsausgaben für Wohnkosten
Grund ist nur die Explosion der Mieten