Kommentar Unterstützung für Südsudan: Schmutzige Hilfe
Die Helfergebühren sind reine Abzocke. Doch die UN könnten Finanzsanktionen gegen die Regierung erlassen, um gegen den Hunger vorzugehen.
M an muss ein gewisses Verständnis dafür aufbringen, wenn Südsudans Regierung jetzt Abzocke betreibt. 10.000 US-Dollar soll es kosten, als ausländischer Mitarbeiter einer Hilfsorganisation in Südsudan tätig zu werden. 10.000 US-Dollar – das entspricht genau der jährlichen Schulgebühr für jeden der vier Enkel des südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir im Nachbarland Kenia.
Irgendwo muss dieses Geld ja herkommen, und wer an der Höhe zweifelt, sollte bedenken, dass es eine verantwortungsvolle Aufgabe ist, zu Salva Kiirs Familie zu gehören. Mehrere seine Kinder tragen auf ihren Pässen als Berufsbezeichnung „Son Of President“ und sitzen in dieser Funktion in Chefetagen wichtiger Unternehmen. Und wie sollte ohne diese selbstlose Tätigkeit der Unterhalt der präsidialen Ranch funktionieren, neben der Südsudans Präsident die Kampfhubschrauber parkt, mit denen seine Armee Luftangriffe auf Zivilisten fliegt? Die kann man ja nicht einfach irgendwo herumstehen lassen.
All diese Erkenntnisse, im vergangenen September in einer internationalen Untersuchung veröffentlicht, sollten es eigentlich leicht machen, gegen Südsudans Regierung nicht nur ein Waffenembargo, sondern auch Finanzsanktionen zu verhängen und die eingefrorenen Gelder dafür zu nutzen, hungernde Südsudanesen am Leben zu erhalten. Aber für einen solchen Eingriff in die nationale Souveränität gibt es keine Mehrheit im UN-Sicherheitsrat. Also müssen die Hilfswerke im Südsudan zahlen – und stillhalten. Schließlich brauchen sie nicht nur Arbeitsgenehmigungen, sondern auch Visa, lokale Mitarbeiter, unzählige Genehmigungen und am Ende die Sicherheit, nicht über den Haufen geschossen zu werden.
Will jemand aus grundsätzlichen Erwägungen dafür plädieren, die Leute lieber verhungern zu lassen, im Irrglauben, damit den Präsidenten zu beeindrucken? Wer in einem Bürgerkriegsland hilft, macht sich die Hände schmutzig. Das ist die Realität.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin