Kommentar Ungarns Partei Fidesz: Raus aus der EVP
Ungarns Premier Orbán hat Fidesz weit an den rechten Rand getrieben. Die Partei sollte aus der EVP ausgeschlossen werden.
J eder Verein hat seine Statuten. Ein Vegetarierclub wird kein Mitglied dulden, das ein Steakhaus betreibt. Im Pazifistenverein wird ein Waffennarr nicht wohlgelitten sein. Und auch eine Ehe, bei der sich der Lebenspartner ständig mit der Nachbarin im Bett ertappen lässt, wird nicht lange halten.
In der Europäischen Volkspartei (EVP) haben sich gleichgesinnte Parteien, die sich einem christlich geprägten konservativen Weltbild verpflichtet fühlen, zu einer Fraktion zusammengeschlossen. Sie grenzen sich ab von der etatistischen „Gleichmacherei“ der Sozialdemokraten, vom antiklerikalen Denken, kombiniert mit Marktgläubigkeit der Liberalen und vom völkischen Nationalismus der Rechten. In der Regel wird ihr Abstimmungsverhalten von diesen Prinzipien bestimmt sein.
Zwar mag zwischen der CDU unter Frau Merkel und den Postfranquisten im spanischen Partido Popular ideologisch viel Platz sein, doch darf man sich wundern, welche Toleranz die EVP gegenüber den gezielten Provokationen ihres Mitglieds Fidesz an den Tag legt.
Ungarns Premier Viktor Orbán verstößt nicht nur konsequent und beharrlich gegen das Demokratieverständnis der Europäischen Union, er hat sein konservatives Bürgerforum Fidesz auch weit an den rechten Rand des ideologischen Spektrums im vereinigten Europa geführt. Grotesker Höhepunkt seines hysterischen Chauvinismus ist die jüngste Plakataktion, die den Milliardär George Soros gemeinsam mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als sinistren Architekten einer ungezügelten Migration verunglimpft.
Mit seiner üblen Propaganda beleidigt Orbán nicht nur tagtäglich die Intelligenz der Ungarinnen und Ungarn. Er stößt auch seine Parteienfamilie EVP beständig vor den Kopf. Wer weiterhin opportunistisch argumentiert, Orbán sei zwar ein Problemkind, doch würde man mit dem Rausschmiss der innenpolitisch höchst erfolgreichen Fidesz die Fraktion schwächen, macht sich zu deren Komplizen.
Die Konsequenz hat jetzt die traditionsreiche Kroatische Bauernpartei HSS gezogen: Sie hat letzte Woche die EVP verlassen. Daran sollten sich andere ein Vorbild nehmen. Wenn Fidesz nicht zumindest suspendiert wird, sollten Parteien, die ihren christlich-sozialen Auftrag ernst nehmen, aus der EVP austreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren