Kommentar Ungarn: Alu um jeden Preis
Es bedurfte der Katastrophe in Kolontár, dass man sich fragt, wie Aluminium in Ungarn hergestellt wird.
A ls Islands Pop-Ikone Björk vor zwei Jahren den Protest gegen das Kárahnjúkar-Staudammprojekt nahe Reykjavík anführte, wurde sie als Gutmensch belächelt. Das für Aluminiumschmelze vorgesehene Kraftwerk galt als extrem umweltbelastend. In Ungarn haben Umweltschützer seit Jahren gewarnt, welche Gefahr in den schlecht gesicherten Staubecken der Aluminiumhütten lauert. Es bedurfte der Katastrophe in Kolontár, dass man sich fragt, wie Aluminium in Ungarn hergestellt wird.
Ungarn zählt zu den größten Aluminiumproduzenten in Europa. Während in anderen Ländern die Erzeugung eher zurückgefahren oder ganz eingestellt wird, wurde sie in Ungarn nach der Wende erst richtig aufgebaut. Hohe Personalkosten, extremer Energieaufwand und anspruchsvolle Umweltauflagen machen die Bauxitverarbeitung zunehmend unrentabel. Brasilien, Australien und Russland, die größten Aluminiumproduzenten, haben da günstigere Voraussetzungen. Die Vertreibung von Aborigines aus ihren Stammesgebieten erregt kaum Aufsehen. Die Abholzung des Regenwaldes, wo das Bauxit im Tagebau gewonnen wird, ist ein Kollateralschaden, den die boomende brasilianische Wirtschaft in Kauf nimmt.
Um mithalten zu können, mussten die Ungarn handfeste Anreize bieten: Strom praktisch zum Nulltarif und Umweltauflagen, die anderswo Standard sind, weglassen. Die letzten Messungen liegen 32 Jahre zurück. Da war das Werk noch ein Staatsbetrieb und erzeugte nur Aluminiumoxid. Inzwischen wurde auf volle Aluminiumproduktion erweitert und privatisiert. Dass die Politik ihre Aufsichtspflicht sträflich vernachlässigt hat, mag daran liegen, dass bei der Privatisierung einige Funktionäre mitverdient haben. Ob man jetzt dazugelernt hat?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!